Wirtschaftspolitik
Wirtschaftspolitik
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Stand: März 2011
Lage
Die ungarische Wirtschaft befand sich schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise auf einem deutlich abgeschwächten Wachstumspfad. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs 2007 um 1,1 Prozent und 2008 um 0,6 Prozent. Durch die weltweite Konjunkturentwicklung ging 2009 das BIP um 6,3 Prozent zurück, 2010 wuchs die Wirtschaft wieder leicht mit 1,2 Prozent. Für 2011 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent erwartet.
Die aus den Parlamentswahlen als Sieger herausgegangene FIDESZ hat sich die Schaffung einer Million neuer Arbeitsplätze in 10 Jahren auf ihre Fahnen geschrieben und will ihrerseits durch Steuersenkungen und die arbeitsplatzwirksame Verwendung von EU-Mitteln die Wirtschaft beleben.
Der haushaltspolitische Konsolidierungskurs Ungarns zeigt Erfolge: 2009 konnte man ein Haushaltsdefizit von 4,0 Prozent des BIP erreichen, womit Ungarn einen sehr guten Platz in der EU einnimmt. Der Schuldenstand (gemessen am BIP) stieg von 65,6 Prozent (2006) auf 78,3 Prozent (2009) an. 2010 erreichte der Schuldenstand der öffentlichen Hand 80,0 Prozent des BIP. Das Haushaltsdefizit lag bei 4,2 Prozent. 2011 rechnet man mit einem Defizit von 2,9 Prozent. Der Schuldenstand wird durch die Verstaatlichung der privaten Rentenkassen deutlich zurückgehen. Genaue Berechnungen sind bisher nicht bekannt. Auf der Ausgabenseite wurden nach der Finanz- und Wirtschaftskrise noch von der Regierung Bajnai zahlreiche Kürzungen beschlossen, die vor allem die Gehälter der öffentlichen Bediensteten und eine Reihe von Sozialleistungen betreffen. Auf der Einnahmenseite schlägt zum einen die noch von der Regierung Bajnai beschlossene Mehrwertsteuererhöhung von 20 auf 25 Prozent vom 1. Juli 2009 zu Buche. Die Regierung Orbán beschloss die Einführung einer Bankensteuer sowie einer Krisensteuer für die Bereiche Telekommunikation, Energie und Einzelhandel, die 1,2 Prozent des BIP zum Staatshaushalt beitragen sollen. Durch den 2011 beschlossenen Szell Kalman Plan sollen die öffentlichen Finanzen weiter verbessert werden. Angekündigt wurden die Überprüfung aller Invalidenrenten und die Verringerung der staatlichen Zuschüsse für Medikamente und den öffentlichen Nahverkehr.
Die Entwicklung des ungarischen Exports verläuft nach einem Einbruch in der Wirtschaftskrise wieder sehr positiv. 2010 betrugen die Exporte wieder über 71 Milliarden Euro, womit fast der Höchststand von 2008 (73,3 Milliarden Euro) erreicht wurde. Mehr als drei Viertel der ungarischen Exporte gehen in die EU, allein nach Deutschland über ein Viertel. Deutschland ist mit Abstand wichtigster Wirtschaftspartner Ungarns. Entsprechend hoch sind die ungarischen Erwartungen an eine anhaltende Konjunkturbelebung in Deutschland. Ungarn erzielte 2009 einen Handelsüberschuss von 3,7 Milliarden Euro, für 2010 rechnet man mit 5,5 Milliarden Euro und 2011 erwartet man einen Handelsüberschuß von 4,9 Milliarden Euro.
Das Inflationsziel der ungarischen Nationalbank (MHB) liegt bei 3 Prozent. Da die Inflation 2009 bei 4,2 Prozent und 2010 bei 4,9 Prozent lag, hält die MHB am Leitzins von 6 Prozent fest. Für 2011 rechnet man mit 3,9 Prozent Inflation. Die ungarische Währung Forint floatet seit Februar 2008 frei gegenüber dem Euro, das bis dato existierende Interventionsband wurde abgeschafft. War der Forint vor der Wirtschaftskrise mit Wechselkursen von rund 230 Forint pro Euro noch überbewertet, verlor er in der Finanzkrise kurzzeitig bis auf 315 Forint pro Euro. Mittlerweile hat sich der Wechselkurs wieder stabilisiert und liegt (Stand März 2011) bei ca. 270 Forint pro Euro.
Die Arbeitslosenquote lag 2008 bei 7,8 Prozent, 2009 bei 10,0 Prozent und 2010 bei 11,2 Prozent. Die Erwerbsquote bleibt im EU-Vergleich sehr niedrig und lag Ende Dezember 2010 bei 55,3 Prozent. Die auf den Weg gebrachte Steuerreform soll hier Anreize schaffen, um speziell das Niedriglohnsegment gegenüber staatlichen Transferzahlungen wieder attraktiver zu gestalten.
Wirtschaftspolitik
Die Regierung Orbán hat als zentrales Ziel ihrer Wirtschaftspolitik die Schaffung von 1 Million Arbeitsplätzen in 10 Jahren festgeschrieben. Mit Hilfe der Steuerpolitik, der arbeitsmarktpolitisch zielgerichteten Verwendung von EU-Mitteln und Bürokratieabbau soll dieses Ziel erreicht werden. Weiterhin soll künftig die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik stehen. Die in Ungarn erbrachte Wertschöpfung soll mittelfristig erhöht werden.
Deutsche Investitionen
Deutschland ist mit einem Anteil von 24 Prozent mit Abstand größter ausländischer Direktinvestor in Ungarn. Insgesamt betrug der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen Ende 2009 68,2 Milliarden Euro. Eine der größten Einzelinvestitionen in Ungarn ist das Audi-Werk im westungarischen Győr, in das bislang rund 3,3 Milliarden Euro investiert wurden und das um eine komplette Autoproduktion (Volumen 900 Millionen Euro) erweitert wird. Mercedes errichtet derzeit für 800 Mio. Euro ein neues Automobilwerk in Kecskemét. Auch Opel baut sein Werk in Szentgotthardt für 500 Millionen Euro aus. Neben weiteren deutschen Großinvestoren (darunter Allianz, Bosch, Deutsche Telekom, RWE, SAP, ZF) sind zahlreiche mittelständische Unternehmen in Ungarn aktiv. Deutsche Unternehmen genießen im Land durch Vermittlung von Managementwissen und Fachausbildung hohes Ansehen. Die Reihe deutscher Investitionen in Ungarn setzt sich fort mit dem Neubau eines Gaskraftwerks durch E.ON in Gönyü, der Erweiterung der Produktionsanlagen durch Knorr Bremse in Budapest und Kecskemét, dem Bau eines Turbinenschaufelwerks durch Siemens und der Duna Drava Cement Kft, eine Tochter der Heidelberg Zement, die die Technologie ihres Werks in Beremend erneuert. Nicht zu vergessen ist die Beteiligung von Hochtief an der Betreibergesellschaft des Budapester Flughafens.
Deutsche Unternehmen sind von der Einführung der Sondersteuern für Banken, Versorger, Telekommunikationsfirmen und den Einzelhandel besonders betroffen.
Energiepolitik
Ungarn hat einen relativ hohen Anteil von Erdgas am Gesamtprimärenergieverbrauch, der in den vergangenen Jahren leicht rückläufig war (2009: 37 Prozent; zum Vergleich: 2006: 41 Prozent; 2007: 40 Prozent, 2008: 39,3 Prozent). Die Sicherung von Gasimporten stellt daher – bei rückläufiger heimischer Produktion – eine wichtige Priorität der ungarischen Energieaußenpolitik dar. Ungarn unterstützt deshalb sowohl das Nabucco-Projekt als auch die vom russischen Energiekonzern Gazprom initiierte South-Stream-Pipeline. Weiterhin will sich Ungarn am Bau der AGRI-Pipeline beteiligen. Der staatliche Stromkonzern MVM betreibt nahe der zentralungarischen Stadt Paks ein Kernkraftwerk mit einer Leistung von 1.860 MW, das ca. 37 Prozent des ungarischen Strombedarfs deckt. Die Kapazität von Paks soll in den kommenden Jahren ausgebaut werden. Ungarn war gemäß EU-Richtlinie 2001/77/EG dazu verpflichtet, bis 2010 einen Anteil von 3,6 Prozent des nationalen Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien zu produzieren. Dieses Ziel hatte Ungarn im Jahr 2006 bereits überschritten, Ende 2006 lag der Anteil von Erneuerbaren Energien an der Stromproduktion bei ca. 4,4 Prozent. Die Europäische Kommission erwartet von Ungarn einen Anteil von 13 Prozent an Erneuerbaren Energien am Gesamtprimärenergieverbrauch bis 2020.
Hinweis