Wirtschaft

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Stand: November 2010

Wirtschaftslage, Wirtschaftsstruktur

Die politische Krise, die seit Januar 2009 das Land destabilisiert, hat die ökonomische Entwicklung auch 2010 erheblich beeinträchtigt. Deutlich bemerkbar sind die Folgen der 2 Krisenjahre: Verschlechterte Auftragslage für Exportfirmen Firmenschließungen, Konkursanmeldungen, schwindendes Interesse ausländischer Investoren , steigende Arbeitslosigkeit mit Fernwirkungen auf den gesamten informellen Sektor. Investitionen in die Infrastruktur sind weitgehend zum Erliegen gekommen. Etwas erholt hat sich der Tourismussektor, nach dem Tiefpunkt von -70 Prozent in 2009 ist 2010 wieder ein Anstieg von knapp 20 Prozent zu verzeichnen, was in etwa. der Hälfte der Touristeneinreisen von 2008 entspricht

Die fehlende internationale Anerkennung des Regimes führte zum Aussetzen von Programmen der internationalen Geber. Die Suspension der Budgethilfe, genauso wie die durch sinkende Steuereinnahmen leeren Staatskassen, stellten die demokratisch nicht legitimierte „Übergangsregierung“ vor beträchtliche wirtschaftliche Herausforderungen. 2010 konnte die Inflation bei 10 Prozent gehalten werden. Auch die Landeswährung Ariary blieb weitgehend stabil. Angesichts einer derzeit nicht erkennbaren Lösung der Krise besteht die Gefahr einer Rezession jedoch weiter.

Bereits vor der politischen Krise im Januar 2009 zeichnete sich ab, dass Madagaskar noch erhebliche Anstrengungen unternehmen muss, um das Investitionsklima zu fördern und dem Privatsektor eine tragendere Rolle bei der Wirtschaftsentwicklung zu überlassen. Angesichts des starken Bevölkerungswachstums reicht das Wirtschaftswachstum seit Jahrzehnten nicht aus, um zu einer breiten Armutsverringerung zu gelangen. Die zu geringe Diversifizierung macht Madagaskar anfällig für externe Schocks wie Naturkatastrophen und Weltmarktpreisänderungen.

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland

Die deutschen Importe aus Madagaskar gingen 2009 um 11 Prozent zurück (von knapp 70,8 Millionen auf 63 Millionen Euro). Hingegen steigerten sich die deutschen Exporte nach Madagaskar 2009 um 12,5 Prozent auf 65,8 Millionen Euro (2008: ca. 59 Millionen Euro). Der Negativsaldo hat sich damit erneut verringert (2008: knapp 12 Millionen Euro). Ein Aufwärtstrend ist bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Kakao, Gewürze, Südfrüchte) und Fischereierzeugnissen feststellbar. Die Hauptausfuhrgüter nach Madagaskar waren Maschinen, Datenverarbeitungsgeräte und elektronische Erzeugnisse sowie Kfz und Kfz-Teile. Deutliche Steigerungen waren vor allem bei Maschinen (+ 102 Prozent) zu verzeichnen. Jan – Sept 2010 betrug der Anteil an deutschen Touristen an der Gesamtzahl der Besucher in Madagaskar 2 Prozent, also unter 3000 Reisende (zum Vergleich: Mauritius ca. 55.000). Eine Direktflugverbindung besteht seit 1999 nicht mehr. Madagaskar ist sehr am deutschsprachigen Markt interessiert und nimmt seit 2003 an der Internationalen Tourismusbörse in Berlin teil.

Entwicklung des BIP

Während die madagassische Wirtschaft 2008 noch um 7,1 Prozent wuchs, fiel die Zahl 2009 auf -4 Prozent.A Für 2010 liegen die Prognosen zwischen -2 und +0,6 Prozent . Das Bruttoinlandsprodukt 2010 wird auf ca, 8,3 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das BIP pro Kopf dürfte 2010 allenfalls auf dem Niveau von 2008 geblieben sein, also bei ca. 400 US-Dollar liegen. Zuverlässige statistische Daten liegen nicht vor. Ca. 26,5 Prozent werden von der Landwirtschaft erwirtschaftet, 58,5 Prozent vom Dienstleistungssektor und 15 Prozent von der Industrie. Demgegenüber sind 80 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt, 12 Prozent in der Industrie und 8 Prozent im Dienstleistungssektor – mit krisenbedingt sinkender Tendenz bei den beiden letzteren. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist auf eine Beschäftigung im informellen Sektor angewiesen.

Entwicklung des Staatshaushaltes, Staatsverschuldung, Inflation

Der madagassische Staatshaushalt beruhte vor der Krise zu rund einem Drittel auf Geberleistungen, der Investitionshaushalt zu etwa 73 Prozent. Die Suspendierung der ausländischen Budgethilfe macht sich insbesondere in den Investitionsausgaben bemerkbar, die drastisch zurück gegangen sind. Dies führt zu einer Verschlechterung der Infrastruktur und fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten, die dieser Bereich früher generiert hat.

Die krisenbedingte Verlangsamung ökonomischer Aktivitäten mindert die Staatseinnahmen beträchtlich – 1,1 Milliarden US-Dollar Staatsausgaben stehen ca. 900 Millionen US-Dollar Staatseinnahmen gegenüber. 2009 konnten nur 68 Prozent der erwarteten Zolleinnahmen generiert werden. Dies lässt auf längere Sicht Engpässe bei den Staatsausgaben (Gehälter, Renten, aber auch wachstumsfördernde öffentliche Investitionen) erwarten. Allerdings scheint die „Übergangsregierung“ bemüht zu sein, auch neue Quellen von Staatseinnahmen aufzufinden. Ein im Mai 2010 bekannt gegebenes neues chinesisches Bergbauprojekt (Eisenerz), soll dem Staat bereits im Vorfeld erster Investitionen 100 Millionen US-Dollar an Einnahmen eingebracht haben.

Durch restriktive Ausgabenpolitik hat die Administration die Haushaltslage relativ stabil halten können. Die Auslandsverschuldung betrug 2009 ca. 43 Millionen US-Dollar. Die Inflationsrate bewegt sich 2010 zwischen 9 und 10 Prozent. Nach der Internationalen Armutsbekämpfungsstrategie für 2007 bis 2012, dem Madagascar Action Plan soll das Ziel eines hohen Wirtschaftswachstums (7 bis 10 Prozent) durch makroökonomische Stabilität, höhere Direktinvestitionen aus dem Ausland, die Reform des Bankensystems und bessere internationale Wettbewerbsfähigkeit im Handel erreicht werden. Ob die „Übergangsregierung“ oder eine künftige, demokratisch legitimierte Regierung die bisherigen Entwicklungsziele fortführt oder andere Akzente setzt, ist noch nicht absehbar.

Wichtigste Wirtschaftszweige

Der Industriebereich war bisher der Motor der Wachstumsentwicklung. Hierzu trugen vor allem die 102 Unternehmen mit dem Status von Freiexportzonen (Zone franche) bei, mit rund 115.000 Beschäftigten überwiegend im Textilbereich. Mit der Krise fiel die Produktion im Textilsektor um -30 Prozent, die Aktivitäten der Freihandelszone verringerten sich um 15 Prozent Bis Ende 2009 profitierte der Sektor vom zoll- und quotenfreien Zugang zum amerikanischen Markt („African Growth and Opportunity Act“, AGOA). Diese Vorzugsregelung wurde mangels Erfüllung der Kriterien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gestrichen. Man geht von einem Wegfall von 50.000 Arbeitsplätzen aus.

Die madagassische Landwirtschaft ist nach wie vor durch geringe Dynamik und Probleme beim Marktzugang gekennzeichnet. Insgesamt überwiegt die Subsistenzwirtschaft (bei Reis, Mais und Maniok). Zwar reicht die Reisproduktion regelmäßig nicht zur Versorgung der Bevölkerung aus; Madagaskar ist noch auf Reisimporte angewiesen. Allerdings wurden 2009/2010 sehr gute Reisernten erzielt. Aufgrund günstiger klimatischer Bedingungen und früherer Investitionen konnte eine Produktionssteigerung von 10-15 Prozent erreicht werden. Dies half, den Reispreis stabil zu halten. Die Entwicklungsstrategie Madagaskars sieht den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Agroindustrie vor, mit dem Ziel einer Verdreifachung der Produktion bis 2012. Madagaskar ist der größte Produzent von Vanille und hat sich eine starke Marktposition für hochwertige Garnelen erarbeitet. Es gibt erste Versuche, Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen: Biodiesel (Jatropha) und Biobenzin (Äthanol).

Die Zahl der Touristen hatte sich im letzten Jahrzehnt verfünffacht. 2008 lag die Besucherzahl bei ca. 380.000, die Deviseneinnahmen auf 393 Millionen US-Dollar. Mit Beginn der Krise ist der Tourismus heftig eingebrochen. 2009 soll die Branche Verluste von ca. 70Prozent erlitten haben. Trotz Steigerungen 2010 ist mit ca. 142.000 Besuchern im Zeitraum Jan – Sept 2010 das schon für 2009 angestrebte Ziel von 500.000 Einreisen noch in weiter Ferne.

Bergbau gilt als Zukunftssektor. Der Reichtum an Bodenschätzen wird bisher nur wenig verwertet. Im Südosten und Südwesten des Landes haben 2009 große Bergbauvorhaben zum Abbau von Titan-Sanden in Kürze ihre Produktion aufgenommen.. 2010 wird eines der weltweit größten Nickel- und Kobaltprojekte im Osten des Landes in Produktion gehen. Die Suche nach Öl in der Straße von Mosambik wurde fortgesetzt, geplant ist auch ein umfangreicheres Vorhaben zur Gewinnung von Öl aus Ölsand. Im Mai 2010 wurde ein neues chinesisches Bergbauvorhaben zum Abbau von Eisenerz mit einem geplanten Investitionsvolumen von ca. 8 Milliarden US-Dollar bekannt gegeben.

Ein Boom des IKT-Sektors wird durch den Anschluss an submarine Fiber-Optik-Kabel erwartet, die ab 2010 westliche Telekommunikationsstandards mit Europa, Asien und Afrika ermöglichen sollen.

Außenwirtschaft

Entwicklung des Außenhandels

Das Exportvolumen ging zwischen August 2008 und 2009 um ca. 62 Prozent zurück (Vorhersage 2010: -26,4 Prozent), die Importe um etwa 30 Prozent. 2010 wird ein leichter Anstieg der Importe erwartet – vornehmlich im Bereich Lebensmittel/ Energie. Demgegenüber prognostiziert man beim Import von Ausrüstungsgütern eine starke Verringerung ( – 46,2 Prozent) .Die traditionell wichtigsten Exportprodukte sind Textilien und Strickwaren, Vanille und Garnelen, die wichtigsten Absatzmärkte Frankreich und die USA. Der Export von Textilien in die USA ist 2010 erheblich zurückgegangen, da Madagaskar ab Januar 2010 nicht mehr von AGOA, profitiert, dh. dem zoll- und gebührenfreien Zugang auf den amerikanischen Markt . Bei den Importwaren stehen Konsumgüter vor Rohölprodukten und Grundstoffen an erster Stelle; die wichtigsten Herkunftsländer sind Frankreich und China, auch Südafrika wird als Handelspartner zunehmend wichtiger.

Investitionsbedingungen

Bei ausländischen Direktinvestitionen steht Kanada vor Frankreich, Mauritius und China an erster Stelle. Die für private Investitionen mitbestimmenden Faktoren (vorhersehbares Verwaltungshandeln, Rechtssicherheit, Unbestechlichkeit der Entscheidungsträger, Infrastruktur, Ausbildungsstand, Zugang zu Krediten) sind vielfach nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Durch die zentrale Anlaufstelle für Investoren (Economic Development Board of Madagascar – EDBM) sollen Investitionen erleichtert werden. Im Januar 2009 wurde ein neues Investitionsgesetz verabschiedet, das Erleichterungen u.a. bei Immobilienerwerb und Geschäftsvisa vorsieht, ebenso wie die Vereinfachung von Verfahren und damit Beschleunigung von Geschäftsgründungen. Allerdings sind die Wirkungen (wie beim Landerwerb) zum Teil durch Ausführungsbestimmungen wieder begrenzt worden.

Infrastruktur

Hohe Priorität galt bisher dem Ausbau der Infrastruktur (insbesondere dem Straßenbau), der von der Weltbank, EU und ADB (African Development Bank) gefördert wird. Da die Programme der meisten Geberinstitutionen ausgesetzt bzw. auf laufende Vorhaben oder humanitäre Projekte beschränkt wurden, ist in nächster Zeit mit weiterem Ausbau nicht zu rechnen. Auch Erhaltungsmaßnahmen werden mangels Finanzmitteln vorerst auf niedrigem Niveau bleiben.

Der Bausektor, der 2003 – 2008 etwa 20 Prozent zum Wachstum beigetragen hat, soll 2009 um 40 Prozent abgesunken sein, für 2010 geht man von -17,5 Prozent aus.

Mitgliedschaft in Wirtschaftsgruppierungen

Madagaskar ist Mitglied des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und Welthandelsorganisation und nimmt am AKP-Prozess teil. Es gehört den regionalen Zusammenschlüssen Commission de l’Océan Indien und der Indian Ocean Rim Association an und ist Mitglied des Common Market for Eastern and Southern Africa. Seit 17.08.2005 ist Madagaskar Mitglied der Southern African Development Community (SADC), seit August 2008 auch der SADC-Freihandelszone. Allerdings wurde die Mitgliedschaft Madagaskars sowohl in AU als auch SADC infolge des undemokratischen Machtwechsels im Frühjahr 2009 suspendiert . Angesichts der kritischen Haltung der SADC zum Machtwechsel in Madagaskar erwägt die „Übergangsregierung“den Austritt aus SADC.

Umweltpolitik

Die größten Umweltprobleme entstehen durch die massive illegale Abholzung von Edelhölzern in geschützten Gebieten und Naturparks und die Bodenerosion , die die Folge der Abholzung großer Waldgebiete ist. Die Plünderung von Naturressourcen (neben Wald auch geschützte oder endemische Tierarten), die immer schon existierte, hat sich durch den krisenbedingten Zusammenbruch der staatlicher Ordnungs- und Kontrollmechanismen und die fehlende Durchsetzung von Verboten durch Exekutive und Judikative noch erheblich verschärft. Bei der Abholzung von Edelhölzern gehen Experten für 2009 von einer zwanzigfachen Menge im Vergleich zu den Vorjahren aus. In den Städten kommt es zu einer starken Belastung der Luft durch den Schadstoffausstoß der Kraftfahrzeuge und zur Verunreinigung der Gewässer.

Die Regierung Ravalomanana räumte der Umweltpolitik einen hohen Stellenwert ein und betonte den Zusammenhang zwischen Umwelt, nachhaltiger Nutzung der natürlichen Ressourcen und Armutsbekämpfung. Der Entwicklungsplan „MAP“ sah eine Ausweitung der geschützten Flächen auf 6 Millionen Hektar vor. Die Schutzflächen dieser Größenordnung gibt es inzwischen, die nächsten Herausforderungen werden Management, Schutz, Kontrolle und Erhaltung der Gebiete sein, ebenso wie das Generieren hierfür benötigter Finanzmittel. Ausgehend von der Überlegung, dass die Erhaltung der verbliebenen Biodiversität im Interesse nachfolgender Generationen ist, liegt der Schwerpunkt der deutschen wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Erhalt und der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen Madagaskars.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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