Wirtschaft
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Stand: März 2011
Bruttoinlandsprodukt
2010 verzeichnete BEL einen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts von 2,4 Prozent im Vergleich zu 2009, als es einen Rückgang von 2,7 Prozent hinnehmen musste (Quelle: BNB). Die Prognose für das Jahr 2011 liegt bei 1,8 Prozent.
Inflation
2009 erlebte Belgien ein Jahr der Nullinflation, was vor allem an den niedrigen Energiepreisen lag. Diese stiegen 2010 deutlich an (+10 Prozent) und sorgten für einen Anstieg der Inflationsrate auf 2,3 Prozent für 2010.
Arbeitsmarkt und Arbeitskosten
Die Arbeitslosenquote lag 2009 bei 7,9 Prozent, 2010 ist sie auf 8,4 Prozent angestiegen. Dies ist auf die verzögerte Wirkung der sich bessernden Konjunkturlage auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind im Industriesektor ungleich verteilt. Sie konzentrieren sich vor allem in den Ballungsräumen, dem inneren Teil Flanderns und dem Nordosten.
Der gesamte Süden des Landes, die Mitte der zentralen Achse Walloniens zwischen Charleroi und Lüttich sowie die östlichen Randgebiete sind dagegen weniger industrialisiert. Jedoch hat Wallonien mit der Aufholjagd begonnen. So ging überraschend die Arbeitslosenquote in Wallonien im Vergleich zum Vorjahr um 7,3 Prozent zurück, in Flandern nur um 6,6 Prozent. 10 Prozent der Unternehmen in Wallonien und 12 Prozent in Flandern kündigen für die nächsten drei Monate Neueinstellungen an. Dies sind die besten Aussichten seit 2003. Brüssel ist nach Antwerpen der zweitgrößte Industriepool und orientiert sich vor allem an Verbrauchsgütern. Audi produziert in seinem Werk im Stadtteil Forêt erfolgreich mit 2300 Mitarbeitern den A 1.
Die Arbeitskosten in Belgien liegen generell über dem EU-Durchschnitt. Nach einem starken Anstieg der Lohnstückkosten 2009 um 4,6 Prozent sind diese 2010 um 0,1 Prozent gefallen. Für 2011 zeichnet sich eine Steigerung von 2,3 Prozent ab.
Haushaltslage
Die staatlichen Konjunkturprogramme konnten die Effekte der Wirtschafts-und Finanzkrise abschwächen, ließen aber das öffentliche Defizit weiter steigen. Die Schuldenquote ist 2010 auf 97,2 Prozent gestiegen, Defizitquote liegt bei 4,6 Prozent. Um die Defizitquote bis 2015 auf das Maastricht-Kriterium von 3 Prozent zu bringen, fehlen der Regierung rund 23 Milliarden Euro.
Steuern und Sozialabgaben
Die Abgabenquote (Steuerzahlungen und Sozialabgaben) betrug 2009 42,8 Prozent des BIP und befindet sich damit in einem vergleichsweise hohen Bereich. Ein unverheirateter Arbeiter ohne Kinder mit dem landesdurchschnittlichen Bruttogehalt von 39.726 Euro pro Jahr erhielt im Jahr 2008 ein Nettoeinkommen von 22.968 Euro. Dabei umfasste die gezahlte Einkommenssteuer 11.203 Euro und die abgeführten Sozialabgaben 5.555 Euro. (Quelle: OECD)
Außenhandel
Belgiens Volkswirtschaft ist gut in den Weltmarkt integriert. Die Außenhandelsquote als Durchschnitt aus Exporten und Importen in Relation zum BIP betrug 2008 85,3 Prozent, ein im Vergleich zum EU 27-Durchschnitt von 41,0 Prozent beachtlicher Wert. Nach wie vor rangiert Deutschland sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen auf Rang zwei der wichtigsten Handelspartner Belgiens. 2010 betrugen die Ausfuhren nach Deutschland 35,2 Milliarden Euro, nach Frankreich 34,8 Milliarden Euro und in die Niederlande 28 Milliarden Euro. Die Einfuhren betrugen im gleichen Zeitraum aus den Niederlanden 50,7 Milliarden Euro, Deutschland 34,7 Milliarden Euro und Frankreich 26,8 Milliarden Euro (Quelle: BNB). Deutschland bleibt damit für Belgien einer der führenden Handelspartner und liegt beim Handelsvolumen auf Platz 2 hinter den Niederlanden
Wirtschaftsstrukturentwicklung
Die belgische Wirtschaft ist durch zurückgehende Wettbewerbsfähigkeit auf einzelnen Teilmärkten gekennzeichnet. Auf dem Strommarkt liegt dies vor allem an impliziten Zugangsbarrieren aufgrund der Verflechtung zwischen den Stromproduzenten und Netzbetreibern und –versorgern. Das Gleiche gilt für den Gasmarkt. Der Zugang neuer Anbieter zum Flüssigerdgas-Terminal des Hafens Zeebrugge und den abgehenden Transportleitungen war in jüngster Zeit ein Problem.
Auch im Telekommunikationsbereich führt die exponierte Stellung des früheren Monopolisten Belgacom zu im EU-Vergleich hohen Telefon- und Internetgebühren. Hierfür sind insbesondere die immer noch hohen Kosten der Entbündelung von Teilnehmeranschlüssen und die mangelhafte Wartung und Bereitstellung von Leitungen durch Belgacom verantwortlich. Um den oftmals unterstellten Interessenkonflikt zwischen der Regulierungsbehörde und der noch in Staatsbesitz befindlichen Belgacom aufzulösen, wird von der OECD die Privatisierung Belgacoms gefordert. Davon verspricht sich die OECD ein strikteres Vorgehen der Behörde bei mangelhafter Durchführung der Anschlussentbündelung.
Die Liberalisierung des Postmarktes beschränkt sich einstweilen noch auf den Großpaket-Transport. Der Schienengütertransport ist seit 2004 für den grenzüberschreitenden Wettbewerb geöffnet. Im Einzelhandel führen diverse staatliche Regulierungsmaßnahmen zu Einschränkungen sowohl auf Konsumenten- als auch auf Produzentenseite. Produzenten dürfen außer zu speziellen Anlässen ihre Waren nicht unter Selbstkosten verkaufen, wodurch ihnen die Möglichkeit genommen wird, sich von unliebsamen Lagerbeständen zu trennen. Konsumenten werden in ihrer Informationsgewinnung gehindert, da 6 Wochen vor einer Schlussverkaufsperiode keine Angaben zu Preisnachlässen gemacht werden dürfen. Die Beschränkung der Öffnungszeiten wird als Hindernis bei der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze angesehen und nimmt dem Konsumenten die Möglichkeit flexiblerer Einkaufszeiten.
Energie- und Umweltpolitik
Die Entwicklung des Energiemixes in Belgien seit 1990 zeichnet sich durch mehrere Veränderungen aus. Der Kohleanteil an der gesamten Energieproduktion sank von 21,9 Prozent 1990 auf 5,7 Prozent 2009, wohingegen der Anteil von Gas sich von 16,9 Prozent auf 26,3 Prozent erhöhte. Der Beitrag von Öl innerhalb des Energiemixes stieg von einem bereits hohen Niveau weiter an (von 37,2 Prozent auf 41,2 Prozent). Der Beitrag aus erneuerbaren Energien stieg nur leicht an und umfasst aktuell 3,6 Prozent (1,0 Prozent 1990). Unter den erneuerbaren Energien wird dabei fast überwiegend Biomasse verwendet (zu 93 Prozent) (Quelle: OECD). Die belgische Holzindustrie sieht sich an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.
Bis 2020 soll ein Anteil von 13 Prozent der Energieerzeugung durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Insbesondere bei der Stromherstellung soll ein größerer Teil durch regenerative Energien gewonnen werden (20,9 Prozent). Unklar ist, welchen Anteil die heimische Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen an diesen 13 Prozent ausmachen wird. Die EU-Bestimmungen, die die Mitgliedsstaaten zu einem höheren Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix anhalten, ermöglichen neben der heimischen Produktion auch den Import erneuerbarer Energie. Die wallonische Region möchte auf diesen Import zur Erreichung der 13 Prozent gänzlich verzichten, wohingegen die flämische Region diesen Import als komplementär zur heimischen Produktion betrachtet. Darüber hinaus ist noch nicht geklärt, wie die Anstrengungen zur Zielerreichung auf die beiden Regionen aufgeteilt werden sollen.
Belgien plant bisher, die Laufzeit der 3 Atomkraftwerke der ersten Generation bis 2025 zu verlängern. Die Katastrophe in Japan ist für Belgien Anlass einer Re-Evaluierung der Atom- bzw. der Atomausstiegspolitik. Es hat ein einjährigen Moratorium (bis März 2012) erlassen, um die Sicherheit der belgischen Meiler zu überprüfen und ggf. einen Teilausstieg zu verkürzen.
Die Ziele des „Kyoto-Protokolls“ wird Belgien unter Beibehaltung bisheriger Anstrengungen voraussichtlich nicht einhalten können. Bis 2012 verpflichtete sich Belgien, seine Treibhausgase um 7,5 Prozent zu vermindern. In der Energiepolitik ist die Föderalebene für den Nuklearkreislauf, größere Infrastrukturprojekte (hierzu zählen auch Off-Shore-Windanlagen) und die Besteuerung verantwortlich. Voneinander abweichende Lösungen beim Klimaschutz in den Regionen (Flandern, Brüssel-Stadt, Wallonien) sind Folge der komplexen Föderalstruktur in Belgien. Die Zuständigkeiten sind auf die föderale und regionale Ebene verteilt. Im Bereich Umweltschutz sind die Regionen mit weit reichenden Kompetenzen ausgestattet. Die Regionen sind weiter für Infrastrukturprojekte in kleinerem Rahmen, Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien zuständig.
Hinweis