Vernetzter Ansatz für Tunesien

Vernetzter Ansatz für Tunesien

Die tunesische Hauptstadt Tunis
© dpa / picture alliance

Die tunesische Hauptstadt Tunis

Die tunesische Hauptstadt Tunis

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Es war nur ein kurzer Zwischenstopp: Am Samstag morgen landete Außenminister Westerwelle nach einem gut achtstündigen Nachtflug aus New York, wo er an einer Sitzung des VN-Sicherheitsrats teilgenommen hatte, in Berlin – und stieg direkt in die bereits wartende Maschine Richtung Tunis um. Dort traf er am 12. Februar unter anderem den amtierenden Ministerpräsidenten Mohamed Ghannouchi sowie Vertreter aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Mit an Bord im Flugzeug nach Tunis waren die Staatssekretäre Burbacher aus dem Bundeswirtschaftsministerium und Hans-Jürgen Beerfeltz aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Man wolle in Tunesien vernetzt agieren, sagte Westerwelle auf dem Hinflug mit Blick auf Größe und Zusammensetzung der Delegation. 

Musterbeispiel für die Region

Westerwelle mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Ghannouchi
© photothek / Imo

Westerwelle mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Ghannouchi

Westerwelle mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Ghannouchi

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In den Mahgreb-Staaten werde momentan Geschichte geschrieben, so der Minister. Es sei wahrscheinlich, dass der demokratische Wandel in Tunesien “unumkehrbar” sei. Im Falle einer erfolgreichen Demokratisierung könne Tunesien zum “Musterbeispiel” der Region werden, sagte Westerwelle mit Bezug auf die aktuellen Geschehnisse in Ägypten und Algerien. Gleichzeitig warnte er davor, die Länder der Region “über einen Kamm zu scheren”. 

Nach der Begegnung mit Ministerpräsident Ghannouchi sagte Westerwelle: “Wir gratulieren dem tunesischen Volk zu der Revolution der Freiheit.” Ghannouchi erklärte, die größte Herausforderung für sein Land sei derzeit, freie und transparente Wahlen zu organisieren. 

Konferenz und konkrete Zusammenarbeit

Im März solle in Karthago eine Konferenz zur Zukunft Tunesiens stattfinden. Laut Außenminister Westerwelle will sich die Bundesregierung an dieser beteiligen. Weiter bot Westerwelle Tunesien konkrete wirtschaftliche Zusammenarbeit im Energiebereich und Unterstützung beim Aufbau einer unabhängigen Justiz an; er sprach sich zudem dafür aus, tunesischen Produkten den Zugang zu europäischen Märkten zu erleichtern. 

Westerwelle setzt auch auf engere Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Tunesien. Bereits jetzt sind 260 deutsche Firmen mit rund 40.000 Beschäftigten in Tunesien vertreten.

Die Menschen in Tunesien müssten jetzt sehen, dass sie auch persönlich von Demokratie und Offenheit profitieren könnten: “Dass die Chancen der Jugend besser werden, dass die Famliien wieder an die Zukunft glauben können”. 

Erster Besucher der tunesischen Revolution

Westerwelle traf in Tunis auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen. Mokhtar Trifi, Präsident der tunesischen Menschenrechtsliga, begrüßte den deutschen Außenminister als “ersten Besucher der tunesischen Revolution”.

Mitten in der belebten Innenstadt von Tunis, auf der Avenue Habib Bouguiba, wo noch Stacheldraht und vereinzelte Panzer an die Unruhen von Dezember und Januar erinnern, traf Westerwelle Slim Amadou. 

Minister Westerwelle mit Slim Amadou, Staatsminister für Jugend und Sport
© photothek / Imo

Minister Westerwelle mit Slim Amadou, Staatsminister für Jugend und Sport

Minister Westerwelle mit Slim Amadou, Staatsminister für Jugend und Sport

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Der 33-Jährige Internet-Unternehmer gilt als bekanntester Blogger des Landes und war als solcher wichtige Figur der Protestbewegung; unter Ex-Präsident Ben Ali war Amadou zeitweise in Haft. Inzwischen ist er Staatssekretär für Jugend und Sport der im Januar gebildeten tunesischen Übergangsregierung. Nach dem Gespräch mit Amadou zeigte sich Westerwelle fasziniert davon, “wie diese demokratische Bewegung in Gang gekommen ist: durch Bloggen, durch Internet, durch die ganzen Möglichkeiten der neuen Kommunikation.”  

Demokratieförderung

Als Teil der “Transformationspartnerschaft” mit Tunesien hat die Bundesregierung einen Demokratieförderfonds in Höhe von 3,25 Millionen Euro aufgelegt, mit dem in den kommenden zwei Jahren die demokratische Entwicklung in Tunesien unterstützt werden soll. Ebenfalls gefördert werden soll der Jugend- und Studentenaustausch.

Seit dem 17. Dezember 2010 war es in Tunesien immer wieder zu Massenprotesten gegen die hohe Arbeitslosigkeit und für mehr politische Freiheiten gekommen. Die Polizei ging hart gegen die Demonstranten vor. Am 14. Januar flüchtete der bisherige Präsident Ben Ali ins Exil nach Saudi-Arabien. Die tunesische Regierung rief den Ausnahmezustand aus. Fouad Mebazaa wurde zum Übergangspräsidenten berufen. Das neu gebildete Übergangskabinett soll innerhalb von sechs Monaten Neuwahlen vorbereiten.


Stand 12.02.2011

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