Staatsaufbau und Innenpolitik

Staatsaufbau und Innenpolitik

Stand: November 2010

Staatsaufbau

Schweden ist eine Erbmonarchie mit parlamentarischer Regierungsform. Der König ist Staatsoberhaupt mit ausschließlich repräsentativer Funktion. Der Reichstag wird alle vier Jahre nach Verhältniswahlrecht mit einer Vierprozenthürde gewählt. Der Ministerpräsident wird vom Parlament gewählt. Er beruft die Mitglieder seines Kabinetts. Schweden verfügt über eine Zentralverwaltung mit kleinen Ministerien und rund 80 dezentral angesiedelten, mit weitgehenden Befugnissen ausgestatteten Verwaltungsbehörden. In den 21 Bezirken (län) sind von der Regierung ernannte Regierungspräsidenten (landshövding) tätig. Es besteht Selbstverwaltung auf Bezirks- und Kommunalebene mit eigener Steuerhoheit.

Aktuelle innenpolitische Lage

Als Ergebnis der Reichstagswahl vom 19.09.2010 steht Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt (Moderate Sammlungspartei) seit 05.10.2010 einer bürgerlichen Minderheitsregierung vor, bestehend aus Moderaten, Liberaler Volkspartei, Zentrumspartei und Christdemokraten. Davor hatte er mit den gleichen Koalitionspartnern seit dem 06.10.2006 eine Mehrheitsregierung gebildet. Damit ist in Schweden eine kleine Sensation gelungen: Erstmalig ist es einer bürgerlichen Regierung in Schweden nicht nur gelungen, eine volle Legislaturperiode zu regieren, sondern auch wiedergewählt zu werden – auch wenn sie eine eigene Mehrheit im Reichstag um 2 Mandate verfehlt hat.

Die Rechnung der rot-rot-grünen Oppositionsparteien, sich durch die Bildung einer “Koalition in der Opposition” Ende 2008 besser für die Wahl positionieren zu können, ist hingegen nicht aufgegangen.

Mit den Schwedendemokraten (Sverigedemokrater) zog erstmalig auch in Schweden eine fremdenfeindliche Partei ins Parlament ein.

Seit den 1930er Jahren stellte – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Sozialdemokratische Partei alle Regierungen und hat auf diese Weise die Politik und Gesellschaft Schwedens weitgehend geprägt. Daher stellt Fredrik Reinfeldt – anders als seine Vorgänger im Vorsitz der Moderaten Partei – das sozialdemokratisch geprägte und von einer breiten Bevölkerungsmehrheit akzeptierte „Schwedische Modell“ mit ausgeprägten Wohlfahrtsleistungen und hohen Steuern sowie dem großen Einfluss der Gewerkschaften nicht grundsätzlich in Frage. Um das vorrangige Regierungsziel, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, zu erreichen, hat die „Allianz“ die Steuern auf Arbeitseinkommen gesenkt.

Bei den am 19.09.2010 gleichzeitig stattfindenden Kommunal- und Regional(landsting)- Wahlen lag in der landesweiten Betrachtung der Anteil der bürgerlichen Allianzparteien bei rund 46 Prozent, derjenige der rot-rot-grünen Opposition bei gut 45 Prozent und derjenige der Schwedendemokraten etwas unter 5 Prozent. In den Großstädten Stockholm und Malmö bleibt es bei bürgerlichen (Stockholm) bzw. rot-rot-grünen (Malmö) Mehrheiten Nach hohen Verlusten für die Sozialdemokraten wird die bisherige rot-grüne Stadtregierung in Göteborg durch eine rot-rot-grüne abgelöst.

Die Wahlbeteiligung lag bei 84,63 Prozent (2006 81,99).

Für den Einzug in den Reichstag gibt es eine Vierprozenthürde. Für den Einzug in die landstings („Landtage“) gilt eine Dreiprozenthürde, für die Kommunalwahlen gibt es keine Einschränkungen.

Zusammensetzung des Parlaments (349 Sitze, das heißt 175 Sitze für eine Mehrheit erforderlich):

  • Bürgerliche Allianz: 49,28 Prozent (Mandate: 173; bisher auf Basis der Wahl 2006:178);
  • Moderate Sammlungspartei (Moderaterna): 30,06 Prozent (107 Mandate, bisher 97),
  • Liberale Volkspartei (Folkpartiet): 7,06 Prozent (24 Mandate, bisher 28),
  • Zentrumspartei (Centerpartiet): 6,56 Prozent (23 Mandate, bisher 29),
  • Christdemokraten (Kristdemokraterna) 5,60 Prozent, (19 Mandate, bisher 24).
  • Rot-(rot)-grüne Opposition: 43,6 Prozent (Mandate: 156; bisher auf Basis der Wahl 2006: 171)
  • Sozialdemokraten (Socialdemokraterna): 30,66 Prozent (112 Mandate, bisher 130),
  • Grüne (Miljöpartiet de Gröna, MP): 7,34 Prozent (25 Mandate, bisher 19),
  • Linkspartei (Vänsterpartiet, V): 5,60 Prozent (19 Mandate, bisher 22).
  • Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna): 5,7 Prozent (Mandate: 20, erstmals Einzug in den Reichstag).
  • Andere: 1,4 Prozent.

Die nächsten allgemeinen Wahlen (inkl. Reichstag) finden im September 2014 statt.

Neue schwedische Minderheitsregierung

Der neu gewählte schwedische Reichstag trat erstmals am 04.10.10 zusammen und wählte sein Präsidium. Am 05.10.10 wurde er von König Carl XVI. Gustaf offiziell eröffnet. In der sich anschließenden Regierungserklärung traf MP Reinfeldt drei grundsätzliche Feststellungen: Die Allianz werde eine Minderheitsregierung bilden. Die gesetzlichen Grundlagen reichten aus, um einen soliden Haushalt auch als Minderheitsregierung durch das Parlament zu bringen. Die Regierung werde bei anderen Dossiers breite Mehrheiten und verantwortliche Lösungen suchen – in erster Linie mit den Grünen, wo nötig aber auch mit den Sozialdemokraten. Eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten hatte er bereits im Vorfeld der Wahl ausgeschlossen. Die Agenda der nächsten vier Jahre steckte MP Reinfeldt wie folgt ab:

  • Nach erfolgreicher Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise müsse Haushaltsausgleich bzw. 1Prozent Überschuss Ziel der Regierung sein. Die Wachstumskräfte müssten weiter gestärkt werden; das Ziel sei Vollbeschäftigung. Dazu bedürfe eines leistungs- und unternehmensfreundlichen Klimas u.a. durch weitere Steuersenkungen für niedrige und mittlere Einkommen, die Einführung neuer Lehrlingsprogramme, die Möglichkeit, bis 69 zu arbeiten;
  • Verstärkte Anforderungen an Schulen und Schüler im Bereich der Bildungspolitik, aber auch bessere Ressourcen;
  • Weitere (maßvolle) Reform des Wohlfahrtsstaates;
  • Zusätzliche, zum Teil ausgabenwirksame Programme in den Bereichen Sicherheit und Ordnung, Gleichberechtigung, Kultur und Sport;
  • Migration und Immigration: Schweden bleibe ein offenes Land, Menschen dürften nicht gegeneinander ausgespielt oder unter Verdacht gestellt werden. Allerdings stelle die Integrationspolitik eine große Herausforderungen dar. Überlegung, die schwedische Staatsbürgerschaft künftig im Rahmen einer angemessenen Feier zu verleihen;
  • Schweden solle bei der Energie- und Klimapolitik Vorreiter bleiben u.a durch das bereits verfolgte Ziel, bis 2020 40Prozent weniger Treibhausgase zu emittieren. Dazu gehöre auch der Beschluss, die bestehenden 10 Kernkraftwerke „zu optimieren oder zu ersetzen”;
  • Im Bereich der Aussenpolitik blieben EU und UN für Schweden entscheidend; ebenso Abrüstung einschliesslich der Perspektive einer nuklearwaffenfreien Welt. Bekenntnis zur Fortsetzung des schwedische Engagements in Afghanistan und dem Kosovo. Breiter nationaler Konsens in der Sicherheitspolitik sei weiterhin erforderlich.

Im Anschluß daran stellte MP Reinfeldt sein neues Kabinett vor, das nur wenige Änderungen im Vergleich zur Vorgängerregierung aufweist. Die Vorsitzenden der drei kleineren Koalitionsparteien sind weiter als Minister vertreten: Jan Björklund (Folkpartiet) als Bildungs- und Hochschulminister (und gleichzeitig neuer stellvertretender MP), Maud Olofsson (Centerpartiet) als Wirtschaftsministerin; Göran Hägglund (Kristdemokraterna) als Sozialminister.

Ausländer- und Einwanderungspolitik

Die schwedische Bevölkerung war bis in die 1950er Jahre ethnisch und religiös sehr homogen. Heute hat etwa zwölf Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Veränderungen ergaben sich vor allem durch die Einwanderung von Arbeitskräften nach dem Zweiten Weltkrieg (auch Deutsche) und in den letzten Jahrzehnten durch die Aufnahme von Flüchtlingen, in jüngster Zeit insbesondere aus dem Irak. Jeder Ausländer mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung kann nach ca. fünfjährigem Aufenthalt schwedischer Staatsbürger werden. Die Integration der Zuwanderer, besonders der Asylbewerber, ist jedoch nur teilweise gelungen, was zu hoher Arbeitslosigkeit und Ghettobildung in einigen Städten (Malmö) geführt hat. Anders als in anderen Ländern waren Zuzug und Integration von Ausländern bisher eher regional wichtige Themen der politischen Auseinandersetzung.

Neben Asylbewerbern nimmt Schweden auch Flüchtlinge aus Drittländern auf. Der Großteil der heutigen Zuwanderung erfolgt auf dem Wege des Familiennachzugs.

Mit dem (erstmaligen) Einzug der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, deren Hauptanliegen es ist, den Zuzug von Einwanderern und die Leistungen für sie einzuschränken, dürfte das Thema in den nächsten Jahren ein Dauerbrenner im schwedischen Reichstag werden.

Gleichstellung der Frauen

Die Gleichstellung ist seit den 1960er Jahren zentrales, auch in EU und Europarat verfochtenes politisches Ziel. Sie ist in vielen Bereichen weit fortgeschritten. Frauen und Männer sind selbst für ihre Altersversorgung verantwortlich, es gibt keine Hinterbliebenen-Renten. Bei der Frauenewerbstätigkeit belegt Schweden weltweit einen Spitzenplatz.den Industrieländern. Ein gut ausgebautes System von Kindertagesstätten unterstützt die Berufstätigkeit beider Elternteile. Im schwedischen Reichstag sind fast 50 Prozent der Abgeordneten weiblich, von 24 Regierungsmitgliedern sind 11 Frauen. Berufliche Gleichstellung wird als elementares Grundrecht angesehen. Besonders in der Arbeitswelt ist die Gleichstellung jedoch noch unvollkommen, Frauen besetzen seltener Führungsposten in Unternehmen und verdienen weniger als Männer.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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