Kultur- und Bildungspolitik, Medien

Kultur- und Bildungspolitik, Medien

Stand: April 2011

Bildungssystem

Die türkische Bevölkerung ist sehr jung – etwa 25 Prozent sind im schulpflichtigen Alter. Deshalb hat der Bildungssektor große Bedeutung für die weitere Entwicklung des Landes. Im Schuljahr 2010/11 wurden 15,7 Millionen Schülerinnen und Schüler in 42.078 Grund- und weiterführenden Schulen unterrichtet. Zum Vergleich: Bei einer um 10 Millionen größeren Bevölkerung werden an deutschen allgemeinbildenden Schulen nur knapp 9 Millionen Schüler unterrichtet.

Die AKP-Regierung unternimmt seit ihrem Amtsantritt im November 2002 umfangreiche Bemühungen zur Reform des zentralistischen und auf veralteten Methoden und Strukturen beruhenden Bildungswesens. Im Jahr 2011 stehen dem Erziehungsministerium rund 34 Mrd. TL (ca. 17 Mrd. Euro) zur Verfügung. EU und UNICEF unterstützen die Regierung bei ihren Reform- und Modernisierungsbemühungen.

Nach Angaben des Erziehungsministeriums wurde in den letzten Jahren die Ausstattung der staatlichen Schulen landesweit erheblich verbessert. 2011 sollen weitere 55.000 verbeamtete Lehrer eingestellt werden. Das Ziel einer hundertprozentigen Einschulungsrate ist jedoch nach wie vor nicht erreicht (98,2 Prozent im Grundschulbereich, 88,6 Prozent im Bereich der weiterführenden Schulen). Um Chancengleichheit für alle Einkommensschichten und vor allem für Mädchen zu erreichen, unternimmt das Erziehungsministerium erfolgreich eine Vielzahl von Kampagnen, auch in Kooperation mit anderen Organisationen (z.B. UNICEF). Trotz aller Anstrengungen besteht jedoch immer noch ein starkes West-Ost-Gefälle im Bildungsbereich.

Schwerpunkt der Erziehungspolitik ist die Umsetzung der Erziehungsreformen aus den Jahren 2005 und 2010. Im Schuljahr 2004/2005 wurde die Schulpflicht an Gymnasien auf vier Jahre erhöht (Schulzeit bis zum Abitur 12 Jahre), an ca. 500 Gymnasien wurde die zweite Pflichtfremdsprache wieder eingeführt. Im Schuljahr 2009/2010 waren es bereits ca. 800 Gymnasien, bis 2012 soll die Zahl auf ca. 1.500 erhöht werden. Dies hat insbesondere die Stellung des Deutschunterrichts an türkischen Schulen gestärkt.


Berufliche Bildung

Die türkische Regierung bemüht sich, das bisherige Schattendasein der Berufsausbildung zu beenden, das bestehende Ausbildungssystem in den Berufsgymnasien zu reformieren und dem europäischen Referenzrahmen anzupassen. Eine der deutschen vergleichbare duale berufliche Bildung besteht in der Türkei nicht. Die beruflich-technischen Gymnasien in der Türkei sehen zwar auch Berufspraxis (aber nicht in Betrieben) vor, werden aber bislang nicht den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht, da die Ausbildung ohne Beteiligung der Wirtschaft und nicht durch Praktiker erfolgt. Auch wegen des niedrigen sozialen Ansehens von Facharbeitern/Handwerkern und der geringen Löhne dieser Berufsgruppen entscheiden sich vergleichsweise wenige für eine derartige Ausbildung, obwohl die Zahlen leicht gestiegen sind.

Die Reformbemühungen richten sich insbesondere darauf, unter Einbeziehung von Betrieben allgemeine und berufliche Bildung stärker zu vernetzen, Praxisnähe herzustellen und Qualitätsstandards zu entwickeln. Einzelne Berufszentren (etwa im Textilsektor) werden derzeit durch Industrie, Sozialpartner (mit Billigung der Regierung) und in Kooperation mit ausländischen Partnern (BIBB, Firmen/Hochschulen) ins Leben gerufen. Im Rahmen eines neu aufgelegten Großprojekts unter Beteiligung der türkischen Industrie- und Handelskammer (TOBB) soll der private Sektor erstmalig in das System der Berufsausbildung an 111 ausgesuchten Berufsgymnasien einbezogen werden. Mit dieser Maßnahme sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre mehr als eine Million Arbeitslose fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Gleichzeitig soll mit Hilfe eines Aktionsplans die Rolle der Kammern im Prozess der beruflichen Bildung institutionalisiert werden. .


Hochschulen

Der türkische Hochschulrat (YÖK) koordiniert Finanzen, Inhalte und Personalplanungen der Hochschulen. Er betreibt mit Nachdruck die Internationalisierung der türkischen Wissenschaft.

Wegen des Fehlens eines dualen Ausbildungssystems und aufgrund der demographischen Entwicklung besteht in der Türkei ein enormer Andrang an den Universitäten. Insgesamt studieren 3,53 Mio. (davon 1,13 Mio. im Fernstudium) türkische Studentinnen und Studenten an 102 staatlichen Universitäten und 54 staatlich anerkannten privaten Stiftungsuniversitäten mit 105.427 Lehrkräften. Ca. 40 Prozent der türkischen Schulabgänger mit Hochschulzugangsberechtigung erhalten die Möglichkeit, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Die Studiengebühren an den privaten Universitäten betragen zwischen 5.000 und 12.000 US-Dollar pro Jahr. Die staatlichen Universitäten sind finanziell vergleichsweise weniger gut ausgestattet. Der Anteil des BIP für Forschung und Entwicklung beträgt nur etwa ein Prozent. An türkischen Universitäten studieren rund 21.400 Ausländer. Der Anteil der Studierenden aus EU-Mitgliedstaaten und den USA nimmt aufgrund der Erasmus-Austauschprogramme mittlerweile ebenfalls zu.

Seit 2004 hat vor allem die gleichberechtigte Teilnahme der Türkei an wichtigen EU-Programmen im Bereich Bildung und Forschung (SOKRATES/ERASMUS und 6. sowie 7. Forschungsrahmenprogramm) zu einer deutlich stärkeren Hinwendung der türkischen Wissenschaft nach Europa geführt. Im ERASMUS-Programm ist Deutschland kontinuierlich das mit Abstand beliebteste Zielland für türkische Studenten und Wissenschaftler.


Medien

Seit Aufhebung des staatlichen Monopols für Rundfunk und Fernsehen 1993 hat sich eine Vielzahl privater Fernsehsender etabliert, die überwiegend kommerzielle, zum Teil aber auch politische Interessen verfolgen. Die Medienlandschaft ist wirtschaftlich stark konzentriert und mit anderen wirtschaftlichen Interessen – Banken, Stromerzeugung, Mobilfunk – in großen Holdings verbunden (Doğan-Gruppe, Doğus-Gruppe, Çukurova-Gruppe, Çalik-Gruppe). Die mit Abstand größte Mediengruppe ist die Doğan-Medien-Holding (Hürriyet, Milliyet, Kanal D, CNN-Türk u.a.), an der auch die deutsche Axel-Springer AG beteiligt ist.

Die Pressefreiheit ist verfassungsrechtlich verankert. Meinungsvielfalt und kritische Berichterstattung haben im Laufe der Zeit deutlich zugenommen; in jüngerer Zeit sind jedoch Rückschläge zu verzeichnen. Die EU-Kommission kritisiert in ihrem Fortschrittsbericht 2010 die Einschränkungen der Medienfreiheit als eine besorgniserregende Entwicklung. „Reporter ohne Grenzen“ haben die Türkei im Jahr 2010 auf ihrer Rangliste der Medienfreiheit um 6 Plätze zurück gestuft. Festnahmen renommierter Journalisten haben im März 2011 zu Kritik des Europarats, der OSZE und der EU-Kommision an den sich verschlechternden Rahmenbedingungen für eine freie Meinungsäußerung in der Türkei geführt. Ebenfalls beklagt wird eine verstärkte Selbstzensur, die zurückgeführt wird auf Schadensersatzklagen, die die materielle Situation der Journalisten oder die Eigentumsstruktur der Medienkonzerne bedrohen.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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