Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: März 2011


Grundlinien der Innenpolitik

Die Sozialistische Republik Vietnam befindet sich in einem Transformationsprozess zu einem marktwirtschaftlich orientierten politischen System, in dem die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) an ihrem politischen Machtmonopol festhält. 

Es gibt zwar einen partizipatorischen politischen Willensbildungsprozess, in den Partei, Regierung und Parlament auf nationaler, Provinz- und Bezirksebene einbezogen sind, ein Mehrparteiensystem lehnt die KPV indes ab. Eine organisierte Oppositionsbewegung besteht nicht, doch ist es den Menschen mehr und mehr möglich, ihre Meinung zu artikulieren – sofern sie die Grundkoordinaten des Staates und den Führungsanspruch der KPV nicht in Frage stellen. Verbände sowie die Gewerkschaft sind in der „nationalen Vaterlandsfront” zusammengefasst. 

Die 1992 verabschiedete und 2001 ergänzte Verfassung bestätigt die führende Rolle der KPV in Staat und Gesellschaft. Die KPV wird verpflichtet, im Rahmen der Verfassung und Gesetze zu handeln. In der Praxis werden Legislativ-, Exekutiv- und Judikativgewalt weiterhin von der KPV-Führung kontrolliert. Die Mehrzahl der Mitglieder der Nationalversammlung ist Parteimitglied. Seit mehreren Jahren ist eine Tendenz zu einer klareren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten der verschiedenen Staatsorgane erkennbar. Das 14-köpfige Politbüro bestimmt die Richtlinien der Politik. Es wird seit Januar 2011 von Generalsekretär Nguyen Phu Trong geleitet. Das 175-köpfige Zentralkomitee der Partei ist das höchste Parteiorgan und tagt in der Regel zweimal pro Jahr. 

Alle fünf Jahre finden Parteitage statt. Auf dem VI. Parteitag 1986 war die so genannte „Doi-Moi” Politik beschlossen worden, die grundlegende Wirtschaftsreformen einleitete. Am 22. Mai 2011 sollen Wahlen zur Nationalversammlung stattfinden. Im Anschluss wird eine neue Regierung vom Parlament ernannt werden.


Legislative und Exekutive

Die wichtigsten Staatsorgane sind: 

  • die Nationalversammlung (NV), der als Gesetzgebungsorgan die nominelle Kontrolle über alle staatlichen Aktivitäten obliegt. Die NV, die zweimal jährlich zusammentritt, wurde zuletzt im Mai 2007 gewählt. Ihr gehören 493 Abgeordnete an, davon sind 9 % keine Mitglieder der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV). Die NV hat sich in den letzten Jahren schrittweise zu einem Parlament fortentwickelt, das seine Rechte durchaus wahrnimmt und eine zunehmende Kontrollfunktion gegenüber der Regierung ausübt. Verschiedene Schritte wurden unternommen, um die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungs- und Kontrollorgan auszubauen (u. a. Einführung eines Misstrauensvotums). 
  • Staatspräsident ist seit Juni 2006 Nguyen Minh Triet. Der Präsident ist gleichzeitig Oberkommandierender der Streitkräfte.

An der Spitze der Regierung steht seit Juni 2006 Premierminister Nguyen Tan Dung. Seinem Kabinett gehören fünf stellvertretende Premierminister und 22 Fachminister an. Das Amt des Premierministers ist neben dem Amt des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) die wichtigste Machtposition im Land.


Politische Partizipation der Bevölkerung

Die Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozess erfolgt neben den Wahlen für die Nationalversammlung und die örtlichen Volkskomitees auf Provinz- und Bezirksebene im Rahmen der Massenorganisationen. Die Armee untersteht der Partei und ist in deren Führungsgremien gewichtig vertreten.


Menschenrechtspolitik

Obwohl die Verfassung allen Bürgern Grundrechte wie Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Versammlungs- und Pressefreiheit einräumt, sind die individuellen Rechte in der Praxis durch weit gefasste Vollmachten der Regierungsorgane eingeschränkt. Aufgrund der staatlichen Zensur ist es den Bürgern nur in gewissem Umfang möglich, ihre bürgerlichen und politischen Grundrechte in Anspruch zu nehmen. Trotz erkennbarer Bestrebungen, rechtsstaatliche Strukturen zu entwickeln, bleibt die Justiz abhängig von politischen Vorgaben. Medien, Internet und Satellitenfernsehen unterliegen staatlicher Kontrolle.

Die Kirchen sind in der Religionsausübung im engeren Sinne nicht behindert. Ihre soziale Betätigung wird zunehmend toleriert. Staatlich nicht anerkannte Religionsgemeinschaften sowie politische Dissidenten sind staatlichen Repressionen ausgesetzt.

Zwischen der vietnamesischen Regierung und der EU besteht seit 2001 ein Menschenrechtsdialog.


Lage von Frauen

Die Rechte der Frauen sind in der vietnamesischen Verfassung und in Einzelgesetzen garantiert. Vietnam ist Vertragsstaat des „VN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen“. Es gibt ein Gleichstellungsgesetz. In Ministerien und Ämtern sind etwa 26 % Frauen tätig, allerdings nur wenige in Führungspositionen (nur eine Frau im Politbüro, nur eine Frau mit Ministeramt). In der Nationalversammlung beträgt der Anteil der weiblichen Abgeordneten ebenfalls 26 %. Prinzipiell stehen alle Berufsmöglichkeiten auch Frauen offen, aber sie sind insgesamt noch unterrepräsentiert und werden deutlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Traditionell leisten Frauen auf dem Lande einen erheblichen Anteil in der Landwirtschaft, verrichten aber auch schwerste Tätigkeiten im Straßenbau und Steinbrüchen. Ein zunehmendes Problem stellt der Mädchen- und Frauenhandel v. a. nach China und die häusliche Gewalt gegen Frauen dar. Die vietnamesische Regierung hat letzteres Problem erkannt und im November 2007 ein Gesetz gegen häusliche Gewalt verabschiedet. Im Mai 2011 soll von der dann neu gewählten Nationalversammlung ein Gesetz gegen Menschenhandel verabschiedet werden. Aufgrund der traditionell starken Präferenz für Söhne in der vietnamesischen Gesellschaft und der v. a. in den Städten mittlerweile leicht zugänglichen vorgeburtlichen Geschlechtsbestimmung per Ultraschall betrug das Verhältnis von neugeborenen Jungen zu Mädchen 2009 im Landesdurchschnitt 111 zu 100 (Quelle: UNFPA, Okt. 2010).

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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