Innenpolitik

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Stand: März 2011

Die Präsidentschaft Janukowytsch

Präsident Janukowytsch hat im ersten Jahr seiner Präsidentschaft deutlich an Macht hinzugewonnen. Die Rückkehr zur Verfassung von 1996 (nach einer umstrittenen Entscheidung des Verfassungsgerichts) hat seinen Einfluss auf alle Bereiche des politischen Lebens der Ukraine auch verfassungsrechtlich untermauert. Die Verwaltungsreform von Dezember 2010 und das darauffolgende Gesetz über das Ministerkabinett machen aus dem Präsidenten zusätzlich zum „Garanten der Verfassung“ de facto den Regierungschef.

Bei den Kommunalwahlen am 31. Oktober 2010 hat Janukowytschs Partei der Regionen einen klaren Sieg errungen; allerdings stellten nationale und internationale Wahlbeobachter erhebliche Unregelmäßigkeiten sowohl im Wahlkampf als auch am Wahltag selbst fest.

Das Parlament mit seiner mittlerweile komfortablen Regierungsmehrheit verabschiedet die meisten Gesetzesvorlagen zügig. So konnte die Ukraine auch die Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfüllen und erhielt im Juli 2010 von diesem einen neuen Kredit in Milliardenhöhe.

Innenpolitisch unpopuläre Maßnahmen wie die erneute Erhöhung der Gaspreise und die geplante Heraufsetzung des Rentenalters für Frauen haben die Umfragewerte von Präsident Janukowytsch und seiner Partei jedoch stark sinken lassen.

Die schwache Opposition kann davon allerdings kaum profitieren; Zuwächse liegen in Umfragen maximal bei 1%. Gleichzeitig geht die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft gegen eine Vielzahl von Angehörigen der ehemaligen Regierung Tymoschenko juristisch vor; mehrere ehemalige Regierungsmitglieder wurden verhaftet. So dürfte auch der leichte Anstieg der ehemaligen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko in der Gunst der Bevölkerung hauptsächlich mit dem gegen sie angestrengten Ermittlungsverfahren verbunden sein, dass laut Umfragen von über 80% der Bevölkerung als politisch motiviert angesehen wird.


Von den Parlamentswahlen 2006 bis zu den Präsidentschaftswahlen 2010

Bei den Parlamentswahlen am 26. März 2006 – den ersten Wahlen seit der „Orangenen Revolution“ 2004 – wurde die „Partei der Regionen“ (PdR) des damaligen Oppositionsführers Viktor Janukowytsch deutlich stärkste Fraktion vor dem „Block Julija Tymoschenko“ (BJuT) und Juschtschenkos „Unsere Ukraine“ (UU). Nachdem Janukowytsch im August 2006 Ministerpräsident geworden war (der Regierung gehörten Minister der PdR, der Sozialisten, Kommunisten und kurzzeitig auch von UU an), nahmen die Spannungen zwischen Präsident und Ministerpräsident kontinuierlich zu.

Im April 2007 löste Präsident Juschtschenko schließlich das ukrainische Parlament auf und ordnete Neuwahlen an. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Auflösung waren umstritten. Ende Mai einigten sich Staatspräsident, Ministerpräsident und Parlamentspräsident auf Neuwahlen am 30. September 2007.

Nach Einschätzung der OSZE/ODIHR entsprachen diese Parlamentswahlen im wesentlichen demokratischem Standard. Stimm- und Mandatsverteilung: Partei der Regionen 34,37 Prozent (175 Sitze), Block Julija Tymoschenko 30,71 Prozent (156 Sitze), Block Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes 14,15 Prozent (72 Sitze), Kommunistische Partei der Ukraine 5,39 Prozent (27 Sitze), Block Lytwin 3,96 Prozent (20 Sitze). Alle übrigen Parteien und Blöcke scheiterten an der Dreiprozenthürde.

Am 18. Dezember 2007 wurde Julija Tymoschenko zur ukrainischen Ministerpräsidentin gewählt. Sie erhielt mit 226 Stimmen gerade die erforderliche Mehrheit im Parlament. Ihrer Regierung gehören Minister ihres eigenen Blockes und des präsidentennahen Blockes „Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes“ an. Der Austritt der präsidentennahen Fraktion aus der Koalition am 3. September 2008 führte im Dezember 2008 zu einer Koalitionsneubildung aus „Block Julija Tymoschenko“, der Mehrheit von „Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes“ und „Block Lytwyn“, die am 09. Dezember 2008 Wolodymyr Lytwyn zum neuen Parlamentspräsidenten wählte.

Aus 18 Kandidaten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2010 gingen Julija Tymoschenko und Wiktor Janukowytsch für die Stichwahl hervor, die Janukowytsch mit 48,96 % gewann. Er wurde am 25. Februar 2010 als neuer Präsident vereidigt, nachdem Tymoschenko ihre Anfechtungsklage zurückgezogen hatte. Die OSZE hatte die Wahlen zuvor als frei und überwiegend fair bezeichnet.

Unmittelbar nach dem Amtsantritt Janukowytschs wurde Mykola Asarow nach erfolgreichem Mißtrauensvotum gegen Julija Tymoschenko und einer von der Opposition als verfassungswidrig kritisierten Änderung der Parlamentsgeschäftsordnung mit 242 von 450 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt. Er bildete eine Regierungskoalition aus seiner „Partei der Regionen“ sowie den Fraktionen „Kommunistische Partei der Ukraine“ und dem Block des Parlamentsvorsitzenden Volodymyr Lytwyn sowie einzelnen Abgeordneten der Fraktionen „Block Julija Tymoschenko“ und „Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes“ und einigen fraktionslosen Abgeordneten.


Staatsaufbau

Nach der Verfassung vom 28. Juni 1996 war die Ukraine ursprünglich eine Präsidialdemokratie mit Gewaltenteilung. Politik und Verwaltung waren stark auf den Staatspräsidenten als zentrale Verfassungsinstitution und Ausdruck staatlicher Macht ausgerichtet.

Am 8. Dezember 2004 wurde die Verfassung im Zuge der „Orangen Revolution“ wesentlich geändert. Diese Änderungen traten zum Jahresbeginn 2006 in Kraft. Sie stärkten das Parlament, das nun weitgehend selbst die Regierung einsetzen und durch Misstrauensvotum abberufen konnte. Der automatische Rücktritt der Regierung nach Präsidentschaftswahlen wurde mit der Verfassungsänderung abgeschafft. Der Präsident hatte jedoch faktisch bei der Regierungsbildung weiterhin eine einflussreiche Rolle und zudem unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, das Parlament aufzulösen.

Die Kompetenzen der einzelnen Verfassungsorgane sind im Verfassungstext von 2004 nur unzureichend abgegrenzt. Dies führte im Frühjahr 2007 zu einem Verfassungskonflikt zwischen Staatspräsident Juschtschenko und der damaligen Regierung unter Premierminister Janukowytsch.

Am 1.Oktober 2010 hat das ukrainische Verfassungsgericht die Verfassungsänderung von 2004 aus prozeduralen Gründen für verfassungswidrig und damit ungültig erklärt. Damit gilt wieder die Verfassung von 1996. Der Präsident kann jetzt das Kabinett wieder ohne Zustimmung des Parlaments ernennen und entlassen.

Die Ukraine wird zentralistisch regiert. Organe der regionalen und lokalen Selbstverwaltung haben mit Ausnahme der Krim relativ geringe Kompetenzen. Das Land ist in 27 Verwaltungseinheiten aufgeteilt: Dies sind die 24 Bezirke (Oblaste), deren Gouverneure vom Präsidenten ernannt und entlassen werden, außerdem die Autonome Republik Krim und die Städte Kiew und Sewastopol, die einen Sonderstatus haben.


Menschenrechte

Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen. Eine Reihe von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen ist in der Ukraine aktiv; ihr Engagement wird deutlich wahrgenommen.

Problematisch bleiben die stark verbreitete Korruption, die Zustände in den Gefängnissen (insbesondere Untersuchungshaftanstalten), schleppende Gerichtsverfahren, die Lage ausländischer Flüchtlinge und der Roma sowie die Zunahme fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt.

Die Bürgergesellschaft entwickelte sich nach der „Orangenen Revolution“ deutlich lebendiger als früher.

Es entstand außerdem eine pluralistische Medienlandschaft mit Vorbildfunktion für den post-sowjetischen Raum. Die Medien berichteten weitgehend frei und ungehindert, ihr Einfluss als „vierte Gewalt“ war jedoch begrenzt.

Ein großes Problem der Medien ist die finanzielle Abhängigkeit der Journalisten von den Eigentümern der Medienunternehmen.Darüber berichten Medien und Nichtregierungsorganisationen.

Angesichts sich in jüngster Zeit mehrender Berichte über Einschränkungen bei der Pressefreiheit hat Präsident Janukowytsch wiederholt öffentlich erklärt, dass er eine Rückkehr zur Zensur nicht zulassen werde.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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