Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: März 2011

Staatsaufbau

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein „sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht“. Die Herrschaft der Kommunistischen Partei wird durch die in der Präambel festgeschriebenen „Vier Grundprinzipien“ (Festhalten am sozialistischen Weg, demokratischer Zentralismus, Führung durch die KP, Marxismus/Leninismus, Ideen Mao Zedongs, Deng Xiaopings und Jiang Zemins) untermauert. Ergänzt wurden diese Prinzipien durch Verfassungsänderungen 1993, 1999 und 2004, die formal u.a. das Prinzip der „sozialistischen Marktwirtschaft“, den Schutz des Privateigentums, die Verankerung der „Herrschaft durch das Recht“ und den Schutz der Menschenrechte festschreiben. An der Spitze der Volksrepublik China stehen der Staatspräsident (seit März 2003 in Personalunion der Parteivorsitzende und Vorsitzende der Zentralen Militärkommission Hu Jintao) sowie der Ministerpräsident (Wen Jiabao) und die Minister im Staatsrat (Zentralregierung).

Gemäß der Verfassung ist der Nationale Volkskongress (NVK) formal das höchste Organ der Staatsmacht. Er tritt einmal jährlich zusammen und wählt den Staatspräsidenten, seinen Stellvertreter, und – auf Vorschlag des Staatspräsidenten – den Ministerpräsidenten. Mit der ersten Tagung des 11. NVK im März 2008 begann die derzeitige Legislaturperiode von fünf Jahren. Vorsitzender ist seit März 2008 Wu Bangguo.

Eine Opposition gibt es nicht. Die in der sog. Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht „demokratischen Parteien“ sind unter Führung der KPCh zusammengeschlossen und haben eine beratende Funktion ohne eigene politische Gestaltungsmöglichkeiten.

Dem Ministerpräsidenten (seit März 2003 Wen Jiabao) obliegt die Leitung des Staatsrats, d.h. der Regierung. Er wird von einem „inneren Kabinett“, bestehend aus vier Stellvertretern und fünf Staatsräten, in seiner Arbeit unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Ihm sind derzeit 27 Kommissionen und Ministerien und ca. 100 weitere Organisationen und Institutionen direkt unterstellt.


Administrative Gliederung

China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Es gibt sieben Militärregionen, die jeweils verschiedene Provinzen bzw. Teile davon umfassen.

Die Lösung der Taiwanfrage bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik.


Sonderverwaltungsregionen Hongkong und Macao

Hongkong hat den Status einer Sonderverwaltungsregion (Special Administrative Region – SAR). Nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“, der der chinesisch-britischen „Gemeinsamen Erklärung“ von 1984 über den Souveränitätsübergang zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen.

Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben.


Politische und wirtschaftliche Reformen

China hat sich mit seinem Ende 1990 beschlossenen Zehnjahresprogramm langfristig zur Politik der wirtschaftlichen Reform und Öffnung bekannt. Das Konzept der „sozialistischen Marktwirtschaft“ wurde zunächst in die Parteistatuten, im März 1993 erstmals auch in die Verfassung aufgenommen und durch ergänzende Verfassungsänderungen vom März 1999 weiter präzisiert.

Das rasante Wirtschaftswachstum infolge der Reform- und Öffnungspolitik hat den Lebensstandard der meisten Chinesen erhöht, allerdings zu großen Ungleichgewichten bei der Einkommensverteilung zwischen Stadt und Land sowie Küsten- und Binnenprovinzen und zunehmender Arbeitslosigkeit geführt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen der Landbevölkerung beträgt 5.919 RMB (ca. 654 Euro); die in den Städten lebenden Chinesen haben ein durchschnittliches Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 19.109 RMB (ca. 2.113 Euro). Die Zahl der in den Städten registrierten Arbeitslosen wurde 2008 mit 4,1 Prozent angegeben. Die Asiatische Entwicklungsbank geht von bis zu dreißig Prozent „überschüssigen Arbeitskräften“ auf dem Land aus.

Seit dem Amtsantritt der gegenwärtigen Regierung ist stärkere Fokussierung auf sozialen Ausgleich bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Wirtschaftswachstums erklärtes Ziel der Politik.



Staat und Partei

Entscheidender Machtträger ist die Kommunistische Partei Chinas. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (rund 200 Mitglieder), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der neunköpfige „Ständige Ausschuss“ des Politbüros. Der im Oktober 2007 in Peking zusammengetretene XVII. Parteitag bestätigte Generalsekretär Hu Jintao für weitere fünf Jahre im Amt und nahm seine Leitgedanken („Wissenschaftliches Entwicklungskonzept“) ins Parteistatut auf. Wichtige neue Mitglieder im Ständigen Ausschuss des Politbüros sind seither Xi Jinping und Li Keqiang; Xi ist inzwischen auch Vizepräsident, Li erster stellvertretender Ministerpräsident.

Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes. Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt. Vorsitzender der ZMK ist seit dem Rücktritt Jiang Zemins im September 2004 Staats- und Parteichef Hu Jintao; Vize-Präsident Xi Jinping ist seit 2010 auch hier sein Stellvertreter.


Aktuelle innenpolitische Situation

Vorrangiges Ziel der Regierung ist die Wahrung der politischen und sozialen Stabilität. Vor diesem Hintergrund stehen ganz oben auf der Prioritätenliste die verstärkte Förderung der Landbevölkerung, der Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles sowie die Bekämpfung aller Kräfte, von denen die Partei annimmt, dass sie die politische Stabilität ernsthaft gefährden könnten. Die Förderung der circa 713 Millionen auf dem Land lebenden Chinesen bezeichnen Partei und Regierung als „bedeutende politische Veränderung“ und „zentralen Punkt der Modernisierung des Landes“. Ziel dieser Politik sind der Aufbau von „neuen sozialistischen Dörfern“ und die Schaffung einer „harmonischen Gesellschaft“.

Hu Jintao setzt die von Deng Xiaoping begründete und von Jiang Zemin energisch vorangetriebene Reformpolitik in Wirtschaft und Gesellschaft unter strikter Wahrung des vom Machtmonopol der KP geprägten politischen Systems fort. Er wird hierbei von Ministerpräsident Wen Jiabao unterstützt, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die von Zhu Rongji betriebene wirtschaftliche Umstrukturierung auf dem Weg in eine „sozialistische Marktwirtschaft“ fortzuführen. Die Führung richtet dabei ihr Augenmerk verstärkt auf die zunehmenden sozialen Spannungen sowie die Sorgen der unteren Einkommensschicht, insbesondere den Ausbau des sozialen Netzes und des Bildungswesens, aber auch den Schutz von Umwelt und Ressourcen. Dabei gewinnt die stärkere Entwicklung des ländlichen Raums angesichts des wachsenden Wohlstandsgefälles zwischen Stadt und Land zusehends Bedeutung.


Menschenrechte

Die chinesische Gesellschaft gewinnt durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, seit Jahrzehnten an Offenheit. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung seit 1978 entscheidend verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein deutlich höheres Maß an persönlicher Freiheit. Die Führung unternimmt erhebliche Anstrengungen, um Verwaltungshandeln berechenbarer zu machen, dem Einzelnen gewisse Rechte gegen behördliche Willkür einzuräumen und das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch weiterhin der Anspruch der Kommunistischen Partei auf die ganze Macht gegenüber, die sie bis auf weiteres nicht zu teilen bereit ist. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden weiterhin ausdrücklich abgelehnt. Es wird noch sehr lange dauern, bis sich in allen Regionen Chinas rechtsstaatliche Normen durchgesetzt haben.

Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von VN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat am 27.10.1997 den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und am 05.10.1998 den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gezeichnet, letzteren allerdings bis heute nicht ratifiziert. Am 20.11.2000 hat die chinesische Regierung ein Memorandum of Understanding mit der damaligen VN-Menschenrechtshochkommissarin Mary Robinson unterzeichnet. Am 27.03.2001 hat die Volksrepublik den VN-Wirtschafts- und Sozialpakt ratifiziert, allerdings zum Recht auf die Bildung freier Gewerkschaften einen Vorbehalt eingelegt. Unabhängige Gewerkschaften werden nicht zugelassen.

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil) und Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren, exzessive Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Die Presse-, Meinungs- oder Religionsfreiheit ist stark eingeschränkt. Das öffentliche Infragestellen des Machtmonopols der Kommunistischen Partei Chinas wird weiterhin hart geahndet. China geht mit besonderer Härte auch gegen Forderungen nach Unabhängigkeit oder größerer Autonomie, besonders in Tibet und Xinjiang vor.

Positiv zu werten ist, dass sich in den letzten Jahren die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft parallel zur insgesamt steigenden Lebensqualität erheblich erweitert haben. Die heutige chinesische Gesellschaft ermöglicht freie Meinungsäußerung im privaten Bereich, Mobilität und individuelle beruflich-wirtschaftliche Chancen. Das Internet hat sich in diesem Zusammenhang trotz aller Kontrollversuche der chinesischen Regierung zu einem besonders wichtigen Medium entwickelt.

Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich. So gab es im März 2004 eine Verfassungsrevision, die nun u.a. das Recht auf Privateigentum und den Schutz der Menschenrechte festschreibt. Seit 1. Januar 2007 müssen alle Todesurteile zur sofortigen Vollstreckung vom Obersten Volksgericht überprüft werden. Dies hat Beobachtern zufolge zu einem starken Rückgang der Hinrichtungszahlen geführt, die jedoch weiterhin hoch bleiben. NGO gehen von mehreren Tausend Hinrichtungen pro Jahr aus. Offizielle Zahlen dazu werden jedoch nicht veröffentlicht. Zudem wurden umfassende Revisionen des Straf-, Zivil- und Verwaltungsrechts angekündigt. Neue Regelungen sollen sicherstellen, dass Polizei und Gefängnispersonal besser kontrolliert und ggf. bestraft werden, wenn sie gegen die Rechte von Festgenommenen verstoßen. Seit 2010 gelten strengere Bestimmungen zum Ausschluss von Beweismitteln, die durch Folter erlangt worden sind. Die Umsetzung dieser Richtlinien muss sich in der Praxis noch bewähren.



Staat und Religion


Vor dem Hintergrund des ideologischen Verfalls der KP und eines geistigen Vakuums in der Gesellschaft sieht die Partei jegliche Form organisierter Religions- oder Meditationsausübung außerhalb ihrer Kontrolle als Bedrohung an. Die Anhänger der Meditationsbewegung Falun Gong bekämpft sie unnachgiebig mit Verboten, Verhaftungen, Strafverschärfungen und massiver Propaganda. Obwohl der chinesische Staat laut Verfassung fünf Religionen anerkennt (Buddhismus, Daoismus, Islam sowie protestantisches und katholisches Christentum) und formal Glaubensfreiheit garantiert, müssen sich kirchliche Gruppen beim Religionsamt registrieren lassen und sich einer der offiziell anerkannten und staatlich kontrollierten Kirchen unterordnen. Gruppen, die sich gegen diese Registrierung und Kontrolle sperren, sind weiterhin Repressalien und Verfolgung ausgesetzt. Angehörige der islamischen Minderheit der Uiguren und des tibetischen Buddhismus werden (wegen des Verdachts der Anfälligkeit für separatistische Bestrebungen) besonders streng kontrolliert. Die der staatlichen Islamischen Vereinigung Chinas zuzurechnenden Imame haben sog. „Patriotische Schulungen“ zu absolvieren. Während die private und individuelle Religionsausübung in Tibet weitgehend möglich zu sein scheint, bleiben strukturelle Behinderungen des tibetischen Buddhismus (u.a. Beschränkung der Anzahl der Mönche) bestehen. Demonstrative Unterstützung für den Dalai Lama, zum Beispiel das öffentliche Zeigen seines Bildes führt oft zu Verhaftungen und anderen Repressalien.


Medienfreiheit


Meinungsfreiheit im privaten Rahmen ist weitgehend möglich, öffentliche Presse- und Informationsfreiheit existiert aber weiterhin nur sehr eingeschränkt. Insgesamt kann heute über deutlich mehr Themen kritisch berichtet werden als noch vor zehn Jahren, insbesondere im sozialen Bereich. Durch die wachsende Kommerzialisierung der Medien ist eine begrenzte Autonomie der Kommentierung zunehmend möglich. Bei sensiblen Themen, vor allem im politischen Bereich, sind die Spielräume der Berichterstattung weiterhin eng begrenzt, können jedoch regional variieren. Viele Journalisten müssen permanent die politischen Grenzen journalistischer Tätigkeit ertasten. China ist aber immer noch das Land mit der weltweit größten Zahl von Journalisten und Bloggern, die wegen ihrer Veröffentlichungen inhaftiert sind.

Ein Empfang ausländischer Medien ist nicht unbeschränkt möglich. Die Fernsehsendungen der Deutschen Welle sind beispielsweise in China nicht legal zu empfangen, auch ihre Website ist nicht zugänglich. Ausländische Korrespondenten haben seit den Olympischen Spielen größere Bewegungsfreiheit erhalten. Hoffnungen auf substanziell größere Freiräume für chinesische Journalisten haben sich bislang jedoch nicht erfüllt.

Elektronische Medien spielen in China eine zunehmend große Rolle und das Internet nimmt mittlerweile eine überragende Stellung bei der Bildung von öffentlicher Meinung ein. Die Zahl der Internetnutzer in China wächst rasant und beträgt rund 45 Mio. Das Verhältnis der chinesischen Führung zu elektronischen Medien bleibt gespalten. Zwar ist es erklärter Wunsch, die daraus entstehenden wirtschaftlichen Wachstumsimpulse zu nutzen, doch dem steht ein ausgefeiltes und aufwendiges Lizenzierungs- und Kontrollsystem gegenüber. Mit enormen technischen und personellen Aufwand werden zudem Inhalte zensiert und Weblogs und Internetseiten nicht genehmen Inhalts blockiert. Verfasser von Webseiten mit „staatskritischem“ Inhalt wurden bisweilen der Subversion oder Gefährdung der Staatssicherheit beschuldigt und zu hohen Haftstrafen verurteilt.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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