Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: März 2011

Staatsaufbau

Die Verfassung von 1995 etablierte ein Präsidialsystem, das dem für fünf Jahre gewählten Präsidenten weitreichende Vollmachten einräumt: Er ernennt und entlässt den Ministerpräsidenten und die Minister, die allein ihm verantwortlich sind. Der Präsident ist dem Parlament gegenüber nicht verantwortlich, kann jedoch wegen schwerer Amtsvergehen auf Initiative des Verfassungsgerichts vom Parlament entlassen werden. Er kann Rechtsverordnungen erlassen und das Parlament auflösen. Der Präsident besitzt das Vorschlagsrecht für die Ernennung von Richtern des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichtshofs und des Wirtschaftsgerichts durch das Parlament sowie die Ernennung der übrigen Richter.

Aserbaidschan ist ein Zentralstaat. Die Verwaltungschefs der 78 Rayone werden vom Präsidenten eingesetzt, ebenso die Kommunalverwaltungen. Die Bedeutung der 1999 eingeführten Kommunalwahlen (zuletzt am 26.12.2009), bei denen die Gemeinderäte gewählt werden, bleibt daher vergleichsweise gering. Die Exklave Nachitschewan hat den Status einer Autonomen Republik mit eigener Verfassung und eigenem Parlament.

Verfassungsorgane

Die Nationalversammlung („Milli Mejlis“) ist ein Einkammerparlament mit 125 Abgeordneten, die nach den Grundsätzen des Mehrheitswahlrechts gewählt werden. Die letzten, von der OSZE stark kritisierten, Parlamentswahlen fanden am 07.11.2010 statt.

Das Verfassungsgericht, das 1998 gegründet wurde, besteht aus neun Richtern. Es besteht die Möglichkeit der Individualklage.

Neben dem Parlament haben auch der Präsident und das Oberste Gericht Gesetzesinitiativrecht. Der Staatshaushalt wird dem Parlament vom Staatspräsidenten zur Zustimmung vorgelegt.

Wahlen

Die Präsidentschaftswahlen am 15.10.2008 wurden von Amtsinhaber Ilham Alijew offiziell mit knapp 89 Prozent gewonnen. Wichtige Oppositionsparteien boykottierten die Wahl. Zwar verlief der Wahlprozess ruhig und insgesamt ohne schwerwiegende Verzerrungen. Eine Gesamtbewertung der Wahlen muss allerdings vor dem Hintergrund der allgemein schwierigen Situation von Demokratie und Menschenrechten in Aserbaidschan vorgenommen werden. Insbesondere die starken Einschränkungen von Medien- und Versammlungsfreiheit in Aserbaidschan beeinträchtigen die demokratische Chancengleichheit.

Dies trifft auch auf die Parlamentswahlen vom 07.11.2010 zu, die nach Ansicht der OSZE-Wahlbeobachtungsmission keinen nennenswerten Fortschritt in der demokratischen Entwicklung des Landes darstellten. De facto zählt kaum noch ein Abgeordneter im Parlament zur anerkannten Opposition (zuvor 7), da neben der regierenden Partei „Neues Aserbaidschan“ (YAP, 72 Sitze) auch die anderen im Parlament vertretenen Parteien sowie die parteilosen Abgeordneten in aller Regel vorbehaltlos die Regierungspolitik unterstützen.

Am 18.03.2009 fand ein Referendum zu vorgeschlagenen Verfassungsänderungen statt, die mit überwältigender Mehrheit angenommen wurden – so ist die Amtszeit des Präsidenten fortan nicht mehr auf zwei Amtsperioden begrenzt und kann in Zeiten nicht definierter „militärischer Operationen“ bis zum Ende dieser Operationen verlängert werden.

Menschenrechte

Die aserbaidschanische Verfassung enthält einen umfassenden Menschenrechtskatalog. Zudem ist das Land einer Reihe internationaler Abkommen zum Schutz von Menschenrechten beigetreten. Ende 2001 hat Aserbaidschan die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe wurde 1998 abgeschafft. Seit dem Beitritt Aserbaidschans zum Europarat am 25. Januar 2001 werden Fortschritte und Defizite bei der Wahrung der Menschenrechte im Rahmen von Monitoringmechnismen des Europarats beobachtet.

Insbesondere die mangelnde Umsetzung von Europaratsstandards in den Bereichen Meinungs-, Medien- und Verdammlungsfreiheit, gibt nach wie vor Anlass zur Kritik. 

Am 24. März 2009 hat die Parlamentarische Versammlung des Europaratsden Bundestagsabgeordneten Christoph Strässer (SPD) zum Sonderberichterstatter für politische Gefangene in Aserbaidschan ernannt.

Aktuelle Entwicklungen

Die Meinungsfreiheit ist in Aserbaidschan nach wie vor eingeschränkt. Dies zeigt etwa der Fall des Journalisten Eynulla Fatullajew, der sich weiterhin in Haft befindet, obwohl ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Oktober 2010 seine sofortige Freilassung fordert.

Eine Reihe von kritischen Nichtregierungsorganisationen ist weiterhin in Aserbaidschan tätig, muss allerdings verstärkt administrative Hürden überwinden, wie etwa umfangreiche Regierungspflichten.

Die ca. 600.000 Binnenvertriebenen und Flüchtlinge, die im Zuge des Konflikts um Bergkarabach in Aserbaidschan Zuflucht gefunden haben, sind druch den Konflikt nach wie vor daran gehindert, zu ihren Wohnstätten zurückzukehren, und leben unter sozial und wirtschaftlich schwierigen Bedingungen. Hunderttausende Armenier haben ihrerseits Aserbaidschan verlassen.

Frauen in Aserbaidschan

Eine rechtliche Diskriminierung von Frauen besteht nicht. Die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage des größten Teils der Bevölkerung führt zu einer starken Doppelbelastung der Frauen. Auch sind Frauen in hohen öffentlichen und politischen Ämtern unterrepräsentiert. Dennoch genießen Frauen in der Öffentlichkeit deutlich mehr Freiheiten als in anderen muslimisch geprägten Ländern der Region.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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