Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: März 2011

Staatsaufbau

Kolumbien ist eine Präsidialdemokratie. Der Präsident ist zugleich Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er wird direkt gewählt; seine Amtszeit beträgt vier Jahre; er kann einmal wiedergewählt werden. Der Präsident ernennt und entlässt das Kabinett. Die beiden Kammern des Kongresses werden ebenfalls auf vier Jahre gewählt. Die Mitglieder des Senats werden über landesweite Listen gewählt, wobei zwei der 102 Mandate für Vertreter der indigenen Minderheit reserviert sind. Das Repräsentantenhaus besteht aus Vertretern der Departamentos genannten Provinzen; in den einzelnen Provinzen findet ebenfalls Listenwahl statt.

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 14. März 2010 statt, die Präsidentschaftswahlen am 30 Mai und 20. Juni 2010. Staatspräsident Juan Manuel Santos Calderón hat am 07. August sein Amt angetreten.

Die Justiz ist unabhängig.

Das Land ist in 32 Departements eingeteilt, dazu Bogotá als Distrito Capital, sowie 1098 Städte und Gemeinden. Gouverneure, Bürgermeister, die Regionalparlamente und Stadt- bzw. Gemeinderäte werden direkt vom Volk auf vier Jahre gewählt. Die Aufgaben der Departements erstrecken sich vor allem auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Gebietskörperschaft und auf administrative Aufgaben.

Innenpolitische Hauptaufgaben der Regierung sind die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols gegenüber Narkoguerilla und kriminellen Organisationen, die Reintegration demobilisierter Paramilitärs, die Entschädigung der Opfer des Konflikts, die Restitution von Landbesitz an Binnenvertriebene, die Bekämpfung der Drogenökonomie, Armutsbekämpfung sowie die Förderung der Wirtschaft.

Illegale Gewaltgruppen

Paramilitärs

Mitte 2005 wurde mit der Verabschiedung des “Gesetzes für Gerechtigkeit und Frieden“ ein Demobilisierungsprozess der paramilitärischen Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) initiiert. Paramilitärs, die sich freiwillig stellen, kommen in den Genuss deutlich milderer Strafen, wenn sie zur Aufklärung der von der AUC begangenen Verbrechen beitragen, der Gewalt abschwören und ihr Vermögen zwecks Opferentschädigung offen legen. Die Demobilisierung ist seit Mai 2006 mit der Entwaffnung von ca. 36.000 Paramilitärs offiziell abgeschlossen. Die Mehrheit der demobilisierten Kämpfer der AUC befindet sich – mehr oder minder erfolgreich – in einem staatlich geförderten Reintegrationsprozess. Die Verfahren gegen ehemalige Paramilitärs kommen allerdings aufgrund von Kapazitätsengpässen in der Justiz nur schleppend voran. Schwierigkeiten bereitet auch die Suche und Identifizierung der sterblichen Überreste der Opfer der AUC. Eine weitere, für den Versöhnungsprozess wichtige Herausforderung stellt die zügige Entschädigung der Opfer dar. Überdies entwickeln sich neue, v.a. im Drogenhandel aktive kriminelle Gruppen, die teilweise alte Strukturen der demobilisierten Paramilitärs nutzen.

Narkoguerilla (FARC/ELN)

Bei weiten Teilen der ehemaligen Guerilla, die zum größten Akteur im Drogengeschäft aufgestiegen ist, haben Drogenproduktion und -handel die ursprünglichen politischen Ziele als Daseinsgrund abgelöst.

Den kolumbianischen Sicherheitskräften sind in den vergangenen Jahren entscheidende Erfolge gegen die Narkoguerilla gelungen.

Ein herausragender Erfolg der Sicherheitskräfte war die gewaltlose Befreiung von Ingrid Betancourt im Juli 2008 aus den Händen der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia).

Die FARC wurde wesentlich geschwächt durch den Verlust ihres langjährigen Führers, Manuel Marulanda, der im März 2008 unter ungeklärten Umständen ums Leben kam. In den vergangenen zwei Jahren wurden überdies mehrere Mitglieder der FARC-Führung getötet oder festgenommen; zahlreiche Angehörige der mittleren Führungsschicht und vor allem einfache Kämpfer haben sich freiwillig gestellt und in mehreren Fällen die von ihnen festgehaltenen Geiseln befreit. Die im September 2010 erfolgreich durchgeführte Militäraktion gegen den FARC-Militärführer „Mono Jojoy“, bei dem dieser und weitere 20 Guerilleros ums Leben kamen, wird in Kolumbien als weitere deutliche Schwächung der FARC gewertet. Gleichwohl bleibt die FARC ungeachtet ihrer geschwächten Position eine Bedrohung für die Sicherheit in einigen Landesteilen.

Zu den militärischen Rückschlägen kommt der fehlende Rückhalt für die Gewaltgruppen in der Bevölkerung hinzu. Nach jüngsten Umfragen lehnen 98% der Bevölkerung die FARC ab.

Dennoch bleibt die FARC ein bestimmender Faktor des Binnenkonflikts. Sie zählt noch immer über ca. 7.000 Kämpfer und verlegt sich zunehmend auf terroristische Anschläge. Eine politische Lösung zeichnet sich gegenwärtig nicht ab, da die FARC auf die Vorbedingungen der Regierung – i. W. einen dauerhaften Gewaltverzicht und die Freilassung aller Geiseln – nicht einzugehen bereit ist.

Die zweitgrößte Narkoguerillagruppe ELN setzt ihre Angriffe gegen Sicherheitskräfte und Zivilbevölkerung fort, ist aber noch stärker geschwächt als die FARC und spielt im Vergleich zu dieser Gruppe nur noch eine untergeordnete Rolle.

Drogenbekämpfung

Drogenanbau- und Handel sind der “Treibstoff des Binnenkonflikts”. Die Narkoguerilla und andere illegale bewaffnete Gruppen finanzieren sich zu einem großen Teil über den Drogenhandel. Die kolumbianische Regierung verfolgt bei der Drogenbekämpfung bislang eine zweigleisige Strategie: Vernichtung der Koka-Pflanzungen sowie militärische und polizeiliche Bekämpfung auf der einen, Sicherheits-, institutionelle, wirtschaftliche wie soziale Maßnahmen auf der anderen Seite. Trotz beachtlicher Erfolge bei der Vernichtung von Kokafeldern und der Beschlagnahme von Rauschgift, trotz zahlreicher Verhaftungen und einem merklichen Rückgang der Produktionsmenge in den letzten Jahren (von über 800 Tonnen pro Jahr auf 410 Tonnen 2009) zählt Kolumbien weiter zu den Ländern mit der größten Kokainproduktion.

Ziele der Regierung Santos

Präsident Santos hat neben dem Kampf gegen die Narkoguerilla und andere illegale bewaffnete Gruppen zur Herstellung der inneren Sicherheit die Überwindung der sozialen Ungleichheit zur prioritären politischen Aufgabe erklärt – auch als Voraussetzung für die Beilegung des Binnenkonflikts. Innere Reformen, insbesondere Strukturreformen der Legislative, der Justiz, Drogen- und Korruptionsbekämpfung sowie die Förderung der Wirtschaft sollen gemeinsam mit Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zur Erreichung dieses übergeordneten Zieles beitragen. Ein Schwerpunkt der Regierung ist die Landrestitution an Landbewohner, die im Zuge des Binnenkonflikts widerrechtlich von ihrem Eigentum vertrieben worden sind.

Menschenrechte

Die Menschenrechtslage in Kolumbien bleibt – trotz spürbarer Verbesserungen – ernst. Maßgebliche Einflussfaktoren sind der Drogenhandel, die organisierte Kriminalität, die ungleiche Verteilung der Einkommen und vor allem der Binnenkonflikt, der zu ständigen Auseinandersetzung der Sicherheitskräfte mit den illegalen Gewaltgruppen und Konflikte zwischen diesen Gruppen führt. Der Binnenkonflikt trifft weiterhin vor allem die Landbevölkerung, Kinder, Frauen, Indigene und die afrokolumbianische Minderheit. Der ganz überwiegende Teil der Verletzungen des humanitären Völkerrechts (Morde, Massaker, Rekrutierung Minderjähriger, Angriffe auf die Zivilbevölkerung, Geiselnahme, sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder, Verlegung von Landminen, Vertreibung der Landbevölkerung etc.) geht auf das Konto der illegalen Gewaltgruppen. Dennoch kommt es nach wie vor auch zu Menschenrechtsverletzungen durch Militär und Polizei. Die Regierung hat die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu einem prioritären Ziel erklärt. Die Menschenrechtsausbildung der Sicherheitskräfte und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft genießen zunehmend hohen Stellenwert.  Menschenrechtsverletzungen werden disziplinarisch und strafrechtlich verfolgt.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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