Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: Februar 2011

Grundlagen

Die innere Lage des Landes wird immer noch durch die geteilten historischen Erfahrungen geprägt: britische Kolonialisierung und anschließende sozialistische Einflüsse im Süden einerseits, muslimische Imamherrschaft und Stammesgesellschaft im Norden andererseits. Der nördliche Landesteil hat den Weg aus fast tausendjähriger Herrschaft der Imame in die Neuzeit erst zu Beginn der 70er Jahre beschritten. Insbesondere seit dem Sezessionskrieg 1994 befindet sich Jemen – mit dem Selbstverständnis einer Vorreiterrolle in der Region – auf dem Weg einer allerdings schwierigen und nicht unangefochtenen Demokratisierung. Trotz verstärkter Anstrengungen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Südens bestehen Unterschiede zwischen dem ehemaligen Nord- und Südjemen fort. Diese belasten das politische und gesellschaftliche Klima des Landes. Eine große Rolle spielt dabei aus Sicht des Südens die nicht ausgewogene Nutzung der zumeist im Süden gelegenen Rohstoffvorkommen des Landes.

Staatsaufbau

Die Republik Jemen ist laut Verfassung von 1994 ein arabischer islamischer Staat, an dessen Spitze der Staatspräsident steht. Dieser ist gleichzeitig Oberkommandierender der Streitkräfte. Die Verfassung gewährt maximal zwei siebenjährige Amtszeiten.

Zum ersten Mal in der Geschichte Jemens wurde am 23.09.1999 das Staatsoberhaupt in direkten Wahlen bestimmt. Der Amtsinhaber (seit 1978), Ali Abdallah Saleh (Parteivorsitzender der Regierungspartei Allgemeiner Volkskongress GPC), konnte sich bei den Präsidentschaftswahlen im September 2006 erneut klar durchsetzen. Die nächsten Präsidentschaftswahlen stehen entsprechend der Verfassung 2013 an.

Regierung, Parlament und Parteien

Das Parlament mit 301 Sitzen wird alle sechs Jahre gewählt. Seit der Vereinigung des Landes 1990 haben drei Parlamentswahlen (1993, 1997, 2003) stattgefunden. Erneute Parlamentswahlen waren für 27. April 2009 geplant, wurden jedoch aufgrund einer politischen Blockade um die Frage einer Wahlrechtsreform um zwei Jahre verschoben und sollen nunmehr im April 2011 stattfinden. Allerdings hat ein Bündnis der wichtigsten Oppositionsparteien angekündigt, die Wahlen boykottieren zu wollen.

Es gibt 22 Parteien. Von ihnen sind seit den Wahlen im April 2003 sechs im Parlament vertreten: Allgemeiner Volkskongress (229 Sitze), die religiös-konservativ geprägte Islah (45 Sitze), Jemenitische Sozialistische Partei (7 Sitze), nasseristische Partei (3 Sitze), Baath-Partei (2 Sitze), Union der Volkskräfte (1 Sitz), Al-Haq-Partei (1 Sitz); 13 unabhängige Kandidaten gewannen einen Parlamentssitz. Lediglich eine Frau wurde in das Parlament gewählt.

Seit der durch Volksabstimmung im Februar 2001 gebilligten Verfassungsänderung besteht neben dem Parlament mit dem “Konsultativrat” (“Madschlis al-Schura”) im Ansatz eine zweite Kammer. Diese soll nun im Rahmen einer geplanten Verfassungsreform zu einem zweiten Legislativorgan aufgewertet werden.

Aktuelle innenpolitische Lage:

Die innenpolitische Lage wird derzeit von folgenden Faktoren bestimmt:

  • die schlechte wirtschaftlich-soziale Lage, die durch die rückläufige Ölförderung noch verschärft wird;
  • die Verschiebung der für April 2009 geplanten Parlamentswahlen um zwei Jahre;
  • der teils politisch, teils religiös motivierte Aufstand der sogenannten Houthi-Rebellen in der Umgebung von Saada im Nordwesten des Landes. Er begann im Sommer 2004 und vollzog sich in mehreren Phasen bewaffneter Kampfhandlungen mit zahlreichen Opfern auf Seiten der Aufständischen und der Zivilbevölkerung. Derzeit herrscht dort eine brüchige Waffenruhe.
  • der Nord-Süd-Konflikt: immer wieder kommt es zu teils auch gewalttätigen Demonstrationen in Aden und anderen Städten des Südens, der sich vom dominierenden Norden weiterhin benachteiligt fühlt;
  • der Kampf gegen den islamistischen Terror: nach mehreren Attentaten auf Touristengruppen (Marib, Hadramaut) und Anschlägen auf die US-Botschaft in Sanaa konnte die Regierung durch Ausschaltung von Terrorzellen einige Erfolge gegen Al-Qaida erzielen. Im April und im Oktober 2010 erfolgten jedoch erneut terroristische Angriffe auf Fahrzeuge der britischen Botschaft in Sanaa. Im Oktober 2010 wurden zudem in Großbritannien und den VAE zwei Paketsendungen mit Sprengstoffvorrichtungen sichergestellt, die im Jemen aufgegeben worden waren. Al-Qaida hat hierzu ihre Urheberschaft bekannt. Insbesondere im Süden des Landes (Abyan/Shabwa) hat Al-Qaida ihre Präsenz im Jemen verstärkt.
  • das Vordringen fundamental-islamistischer Tendenzen

Am 27.1.2010 fand in London eine internationale Jemen-Konferenz statt, bei der sich Delegationen aus 22 Ländern auf einen Unterstützungsprozess für den Jemen verständigten. Auf der Konferenz wurde eine “Freundesgruppe für Jemen” (Friends of Yemen) ins Leben gerufen, der auch Deutschland angehört. Sie soll die jemenitische Regierung bei der Umsetzung der nötigen innenpolitischen Reformen unterstützen – etwa in den Bereichen Wirtschaft, Regierungsführung und bei der Reform des Justizwesens. Am 24.9.2010 trafen sich erneut die Außenminister der Freundesgruppe in New York.

Menschenrechtspolitik

Jemen hat zwar alle wesentlichen internationalen Menschenrechtsinstrumente ratifiziert. Dennoch ist die Menschenrechtslage weiterhin schlecht, besonders was die tatsächliche Umsetzung gesetzlicher Garantien anbetrifft. Besonders problematisch: die häufige Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe sowie willkürliche Festnahmen und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte. Bei der Ausübung der weit verbreiteten Stammesgerichtsbarkeit werden Menschenrechte besonders häufig verletzt.

Bei den Frauenrechten steht der Jemen nicht nur im weltweiten, sondern insbesondere auch im regionalen Vergleich im Abseits. Nach einem vom World Economic Forum jährlich veröffentlichten Bericht zur Gleichberechtigung („The Gender Equality Gap“) nimmt das Land traditionell den letzten Rang ein. Frauen sind von der politischen und wirtschaftlichen Beteiligung weitgehend ausgeschlossen. Die Diskriminierung von Mädchen bei der Schulbildung hat eine enorm hohe Analphabetinnenrate (rd. 70 Prozent der Frauen) zur Folge. Die Frühverheiratung von Mädchen ist in allen Landesteilen üblich. Die Verbreitung der Genitalverstümmelung von Frauen ist regional sehr unterschiedlich; teils (so in der Region Hodeidah) soll sie bei über 80 Prozent liegen.

Im internationalen Vergleich der Presse- und Meinungsfreiheit (World Press Freedom Index der NRO „Reporter ohne Grenzen“) rangierte der Jemen 2010 auf dem 170. Rang (von 178 Ländern). Dies bedeutet ein deutliches Abrutschen vom 103. Rang im Jahr 2002.

Es existiert eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für eine Stärkung des Demokratisierungsprozesses und der Menschenrechte einsetzen.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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