Innenpolitik
Innenpolitik
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Stand: November 2010
Staatsaufbau
Libanons Staatsform ist eine parlamentarische Demokratie auf der Basis eines Konfessionsproporzes (Konkordanzdemokratie). Parlamentswahlen werden im Abstand von vier Jahren abgehalten, zuletzt am 7. Juni 2009. Der Präsident wird für eine Amtszeit von sechs Jahren vom Parlament gewählt, zuletzt am 25. Mai 2008.
Es gibt eine Anzahl verschiedener politischer Parteien, deren Mitgliedschaft sich zum Teil entlang konfessioneller Zugehörigkeit zusammensetzt. Das libanesische System wird von der Zusammenarbeit der verschiedenen Konfessionen getragen, daneben spielen jedoch auch örtlich traditionell führende Familien eine große Rolle. Nach dem syrischen Abzug (2005) haben sich im Libanon zwei in etwa gleichstarke politische Blöcke gebildet. Auf der einen Seite ist dies der „14. März“ der sunnitischen Zukunftsbewegung, den christlichen Parteien Forces Libanaises und Kataib und der drusischen Sozialprogressiven Partei (PSP), die sich allerdings zunehmend unabhängig zwischen den Blöcken positioniert. Diesem Bündnis steht der „8. März“ aus den schiitischen Parteien Hisbollah und AMAL sowie dem christlichen CPL (Courant Patriotique Libre) gegenüber.
Geschichtlicher Hintergrund
Das 1989 in der Schlussphase des Bürgerkrieges in Saudi-Arabien zwischen den libanesischen Gruppen geschlossene Abkommen von Ta’if bestätigte grundsätzlich den ungeschriebenen Nationalpakt von 1943, der die Aufteilung der politischen Macht nach konfessionellen Gesichtspunkten vorsieht. Danach ist der Staatspräsident maronitischer Christ, der Ministerpräsident sunnitischer Moslem und der Parlamentspräsident schiitischer Moslem. Allerdings beschnitt Ta’if die Kompetenzen des christlichen Präsidenten zu Gunsten des sunnitischen Premierministers.
Syrien hat seit jeher prägenden Einfluss auf die Geschicke Libanons. Aufgrund seiner politischen und militärischen Rolle im libanesischen Bürgerkrieg (1975-1990) und der folgenden Zeit der „Pax Syriana“ (1990-2005) hat Syrien bis in jüngste Zeit entscheidenden Einfluss in Libanon ausgeübt. Die im Abkommen von Ta’if vorübergehend zugestandenen „besonderen Beziehungen“ zu Syrien, einschließlich Präsenz syrischer Truppen, schränkten den Spielraum eigenständiger libanesischer Entscheidungen ein.
Durch internationalen Druck und die antisyrischen Proteste nach der Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri am 14. Februar 2005 („Zedernrevolution“) sah sich Syrien gezwungen, seine Truppen Ende April 2005 aus dem Libanon abzuziehen.
Es folgte eine Phase der politischen Instabilität mit zahlreichen politischen Morden, die durch den Julikrieg 2006 zwischen Hisbollah und Israel weiter verschärft wurde. Dabei standen sich zwei in etwa gleich starke Lager („8. März“ und „14. März“) gegenüber. Nach 18 Monaten institutioneller und politischer Blockade eskalierte die Situation Anfang Mai 2008. Nach einer umstrittenen Regierungsentscheidung übernahmen am 8. Mai 2008 bewaffnete, meist schiitische Kräfte der Opposition die Kontrolle über den überwiegend sunnitischen Westteil Beiruts und entwaffneten dort die Regierungsanhänger. Bei den Auseinandersetzungen gab es mindestens 87 Tote. Durch die Konferenz von Doha am 21. Mai 2008 unter Ägide der Arabischen Liga und Katars gelang es den libanesischen Parteien, sich auf ein Vorgehen zur Lösung der Krise zu einigen. Nach der Wahl des Oberbefehlshabers der Armee General Sleiman zum Präsidenten durch das Parlament (25.5.2008 mit 118 von 127 Stimmen) wurde eine Einheitsregierung (mit Sperrminorität für die Opposition) gebildet. Deren Hauptaufgabe war die Einigung auf eine Wahlrechtsreform (November 2008) und anschließend die Durchführung von Parlamentswahlen im Juni 2009.
Die Frage der Waffen der Hisbollah wurde in den Nationalen Dialog der wichtigsten politischen Anführer unter Leitung des Staatspräsidenten überwiesen. Dieser Dialog ist Anfang März 2010 wieder aufgenommen worden.
Aktuelle innenpolitische Lage
Bei den insgesamt frei und fair verlaufenen Parlamentswahlen am 7. Juni 2009 gelang des der Koalition des „14. März“, eine Mehrheit der Mandate zu erlangen (während die Opposition für sich in Anspruch nahm, eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten zu haben).
Nach Konsultation mit dem Parlament beauftragte Staatspräsident Sleiman den Anführer der sunnitischen Zukunftsbewegung (Mustaqbal), Saad Hariri, mit der Regierungsbildung. Bereits im Frühsommer einigte man sich prinzipiell auf eine Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit unter Einschluss des „8. März“ und des präsidialen Lagers mit 30 Ministern gemäß der Formel 15 (für „14. März“) – 10 (für „8. März“) – 5 (für Staatspräsident Sleiman). Aufgrund von Streitigkeiten über die Verteilung der Ressorts und der Minister konnte die Regierungsbildung aber erst im Dezember 2009 abgeschlossen werden. Nach Klärung aller Personalfragen sprach das Parlament der neuen Regierung Saad Hariri am 10.12.2009 mit überwältigender Mehrheit das Vertrauen aus.
Aktuell prägt die Debatte um das Sondertribunal für den Libanon (STL), das den Mord am ehemaligen Premierminister Rafik Hariri 2005 aufklären soll, die Innenpolitik. Weite Kreise des 8. März, insbesondere Hisbollah, fordern ein Ende des STL und der libanesischen Unterstützung für das STL, weil dieses politisiert sei, während der 14. März (mit Ausnahme der PSP) am STL festhält. Die Auseinandersetzungen darüber belasten die Sacharbeit der Einheitsregierung und führen zu innenpolitischen Friktionen. Das STL hatte am 1. März 2009 in Den Haag seine Arbeit aufgenommen und damit die VN-Untersuchungskommission zum Hariri-Mord (UNIIIC) abgelöst. Das STL wurde auf Bitten der libanesischen Regierung durch die VN-Sicherheitsratsresolutionen 1664 (2006) und 1757 (2007) errichtet.
Menschenrechte
Im Vergleich zu anderen arabischen Ländern genießt der Libanon weitreichende demokratische und rechtsstaatliche Errungenschaften und verfügt über zahlreiche für die Menschenrechte aktive Nichtregierungsorganisationen. Dennoch kommt es zu einzelnen Verletzungen der Menschenrechte und staatlichen Eingriffen in demokratische Freiheiten. Die Bedingungen in libanesischen Gefängnissen entsprechen nicht internationalen Maßstäben. Die seit 1948 im Lande ansässigen palästinensischen Flüchtlinge verfügen nur über eingeschränkte Rechte, u.a. im Bereich der Berufsausübung und des Eigentumserwerbs.
Im Vergleich zu anderen arabischen Staaten der Region verfügt der Libanon über weitgehende Pressefreiheit, insbesondere in den Printmedien.
Situation der Frauen
Frauen haben im Libanon mehr Rechte und Möglichkeiten als in den anderen arabischen Staaten der Region. Ihr Status ist aufgrund der multikonfessionellen Zusammensetzung der libanesischen Gesellschaft jedoch nicht einheitlich, denn Personenstandsangelegenheiten (wie Heirat, Scheidung, Eigentumsfragen, Erbfragen) fallen in die rechtliche Zuständigkeit der 18 anerkannten Religionsgemeinschaften, deren Regelungen Frauen besonders benachteiligen können. Im Kabinett Hariri sind zwei Ministerinnen vertreten, im Parlament nur vier weibliche Abgeordnete.
Hinweis