Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: November 2010


Die irakische Verfassung

Das irakische Volk nahm am 15. Oktober 2005 in einem Referendum die neue irakische Verfassung an. Die Wahlbeteiligung lag bei 63%.

Die Verfassung bestimmt, dass Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat ist. Der Islam ist Staatsreligion. Die Verfassung enthält einen umfassenden Menschenrechtskatalog und garantiert eine Frauenquote von 25 Prozent im Parlament. Die konkrete Ausgestaltung des Föderalismus bleibt dem Parlament vorbehalten. Außerdem verabschiedete die Volksvertretung am 11. Oktober 2006 ein Gesetz über die Einrichtung von Regionen. Danach können sich seit 2008 mehrere Provinzen zu Regionen zusammenschließen.

Bereits im Übergangsgesetz vom 8. März 2004 und der am 15. Oktober 2005 inkraft getretenen Verfassung wird in Artikel 117 die Region Kurdistan-Irak grundsätzlich anerkannt.


Die Parlamentswahlen vom 7. März 2010

Nach monatelangem innenpolitischen Streit um ein neues Wahlgesetz und den Ausschluss von Kandidaten unter dem sogenannten De-Baathifizierungsgesetz fanden die ursprünglich für Januar 2010 angesetzten Parlamentswahlen schließlich am 7. März 2010 statt. Stärkstes Bündnis wurde der schiitisch-sunnitische „Iraqiya“-Bündnis unter Führung des früheren schiitischen Ministerpräsidenten Iyad Allawi (mit 91 von insgesamt 325 Mandaten). Das „Rechtsstaatsbündnis“ des amtierenden schiitischen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki gewann 89 Mandate. Das schiitische Bündnis „Irakische Nationale Allianz“ (INA), ein Zusammenschluss aus dem „Hohen Islamischen Rat“ (ISCI) und der Sadr-Bewegung erhielt 70 Sitze, die Kurdistan-Liste 57 Mandate (darunter 8 für die innerkurdische Oppositionspartei „Goran“).

Ministerpräsident Al-Maliki forderte wegen angeblichen Wahlbetrugs die Neuauszählung aller Stimmen im größten Wahlbezirk Bagdad. Das Ergebnis der Neuauszählung brachte aber keine Veränderungen im Stimmverhältnis, so dass der Oberste Gerichtshof am 1. Juni 2010 das amtliche Endergebnis bestätigte. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die politischen Akteure schließlich im November 2010 auf eine Regierung unter erneuter Führung von Al-Maliki. Die Koalition soll alle wesentlichen Bündnisse einschließen. Das Parlament trat am 11. November 2010 zusammen und wählte daraufhin den Sunniten Osama Al-Nujeifi (Iraqiya-Bündnis) zum neuen Parlamentspräsidenten und bestätigte den amtierenden Staatspräsidenten Jalal Talabani (Kurdenbündnis) im Amt. Der Hauptkonkurrent von Al-Maliki, Iyad Allawi (Iraqiya-Bündnis) soll Vorsitzender eines noch zu schaffenden „Nationalen Rates für Strategische Politik“ werden, der die Kompetenzen des Ministerpräsidenten, insbesondere hinsichtlich Sicherheitsfragen, beschneiden soll. Allerdings ist bislang unklar, auf welcher Rechtsgrundlage und mit welchen konkreten Kompetenzen das neue Gremium ausgestattet werden soll. Während Allawi und andere Gruppierungen möglichst weitreichende Mitentscheidungsrechte in allen Politikbereichen fordern, will Al-Malikis Rechtsstaatsbündnis dem neuen Gremium lediglich beratende Kompetenzen zugestehen, dessen Vorschläge dann mit einer 80%-igen Mehrheit im Parlament bestätigt werden sollten.

Am 25. November 2010 beauftragte Staatspräsident Talabani den amtierenden Ministerpräsidenten Al-Maliki mit der Bildung einer neuen Regierung. Er hat 30 Tage Zeit, sein neues Kabinett zu bilden und dessen Mitglieder sowie ein Regierungsprogramm im Parlament mit absoluter Mehrheit bestätigen zu lassen.


Sicherheitslage

Irak ist immer noch eines der gewalttätigsten und gefährlichsten Länder der Welt (siehe Reisewarnung). Durch Terroranschläge und Gewalttaten sind in den vergangene Jahren, – insbesondere in der Zeit von 2005 bis 2007 – unzählige Menschen ums Leben gekommen oder verletzt worden. Unter den Opfern: Soldaten der Multinationalen Truppen, irakische Sicherheitskräfte, aber vor allem Zivilisten aller ethnischen und religiösen Gruppen. Etwa 3,4 Millionen Iraker befinden sich Schätzungen des UNHCR zufolge auf der Flucht, davon etwa 1,5 Millionen im eigenen Land. Beim UNHCR sind etwa 150.000 Iraker als Flüchtlinge in Syrien registriert, insgesamt vermutet die syrische Regierung bis zu einer Million irakische Flüchtlinge im Land. In Jordanien sind 40.000 registriert, insgesamt sollen dort etwa 450.000 Iraker als Flüchtlinge leben. Inzwischen kehren einige Flüchtlinge in ihre Heimat zurück; von einer starken Rückwanderung kann aber nicht gesprochen werden.

Seit dem Höhepunkt der innerirakischen Gewalttaten im Jahr 2007 hat sich die Zahl der Anschläge und Opfer im Irak erheblich verringert. Grund für den Rückgang sind verschiedene innerirakische Faktoren, u.a. eine Änderung der Strategie der US-Truppen seit 2007, die Einbindung sunnitischer Stämme sowie das Stillhalten schiitischer Milizen. 

Die relative Verbesserung der Sicherheitslage hält auch nach der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die irakischen Sicherheitskräfte und dem fortschreitenden Rückzug der US-Truppen an. Allerdings kommt es immer wieder zu großen und Anschlägen auf besonders sichtbare Ziele. Die Gefahr für Ausländer, Opfer einer Entführung zu werden ist nach wie vor sehr hoch.


Die Rolle ausländischer Streitkräfte

Seit 1. Januar 2009 ist das Agreement between the USA and the Republic of Iraq on the Withdrawal of US Forces from Iraq and the organization of their acitivities during their temporary presence in Iraq zwischen den USA und Irak in Kraft. Am 19. August 2010 verließ die letzte US-Kampfbrigade den Irak. Die verbleibenden 50.000 Mann („Operation New Dawn“) sollen die irakischen Sicherheitskräfte ausbilden und bei gezielten Antiterror-Einsätzen unterstützen sowie US-Einrichtungen in Irak schützen. Sie sollenbis Ende 2011 Irak verlassen.

Alle anderen Kontingente der Multinationalen Schutztruppen hatten schon zuvor das Land verlassen. Bis Mitte 2011 verbleiben noch einige britische Marine-Ausbilder im Land. Auch die NATO setzt ihre Trainingsmaßnahme NTM-I fort.


Abriss der Entwicklung seit April 2003

Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein durch Koalitionstruppen unter Führung der USA und Großbritanniens wurde Irak vom 21. April 2003 bis zum 28. Juni 2004 von der zivilen Übergangsbehörde (Coalition Provisional Authority, CPA) verwaltet, die während der Besatzungszeit die zivilen Regierungsaufgaben übernahm.

Am 13. Juli 2003 setzte die Übergangsverwaltung einen irakischen Übergangs-Regierungsrat (Interim Governing Council) ein. Ihm gehörten 25 Mitglieder an, die wichtige politische, ethnische und religiöse Gruppierungen vertraten. Am 8. März 2004 verabschiedete der Regierungsrat ein Übergangsgesetz (Transitional Administrative Law, TAL), das den politischen Rahmen für die Übergangszeit zwischen dem Ende der Besatzung und der Bildung endgültiger politischer Strukturen regelte. Am 28. Juni 2004 wurde die Besatzung formal beendet und die Souveränität Iraks wieder hergestellt.

Am 30. Januar 2005 fanden die ersten demokratischen Wahlen statt. Als Sieger mit absoluter Mehrheit ging die Schiitenallianz aus der Wahl hervor, die zusammen mit der Kurdenallianz und einzelnen Sunniten eine Übergangsregierung bildete. Die Ressortaufteilung folgte weitgehend dem ethnischen und religiösen Proporz. Die Schiiten stellten den Ministerpräsidenten al-Dschaafari und 16 Minister, die Kurden 8 Minister, die Sunniten 6, Christen und Turkmenen je einen Minister. Zum Staatspräsidenten wurde am 6. April 2005 der Kurde Dschalal Talabani (PUK) gewählt.

In Erfüllung der Vorgaben des Übergangsgesetzes fanden am 15. Dezember 2005 Parlamentswahlen im Irak statt. Gleichzeitig wurden auch Provinzparlamente und das kurdische Regionalparlament gewählt. Die Wahlen verliefen insgesamt friedlich, allerdings führte die zunehmende Gewalt und Boykott-Aufrufe insbesondere sunnitischer Gruppen dazu, dass die Wahlergebnisse die innerirakischen Konflikte nicht unmittelbar entspannen konnten. Als Sieger aus der Parlamentswahl ging die Vereinigte Irakische Allianz (Schiiten) als Sieger hervor. Am 20. Mai 2006 wählte sie Nuri al-Maliki von der schiitischen Dawa-Partei zum Ministerpräsidenten. Dem Kabinett Al-Malikis (Schiit) gehörten anfänglich 20 Schiiten, 8 Kurden, 8 Sunniten und 4 säkular orientierte Minister (darunter eine Christin) an. In der Folge kam es allerdings zum Zerwürfnis mit den arabisch-sunnitischen Vertretern, die das Kabinett daraufhin im August 2007 verließen und erst im Juli 2008 in die Regierung zurückkehrten. Am 22. April 2006 wählte das Parlament den amtierenden Staatspräsidenten Dschalal Talabani erneut zum Staatsoberhaupt. Seine Vertreter waren der Schiit Adil Abd al-Mahdi und der Sunnit Tareq al-Hashimi.

Die Provinzwahlen am 31. Januar 2009 fanden in 14 der 18 Provinzen statt. Sie verliefen weitestgehend friedlich. Im Gegensatz zu den Provinzwahlen 2005 beteiligten sich diesmal auch die Sunniten an dem Urnengang. Bei den Wahlen war besonders das „Rechtsstaatsbündnis“ von Ministerpräsident Al-Maliki erfolgreich, der sich mit einem national-irakischen Kurs profilierte. Sunniten konnten in der Provinz Ninive die bisher kurdisch-dominierte Provinzregierung ablösen.

Ausgenommen von der Wahl war die Region Kurdistan-Irak sowie die umstrittene Provinz Kirkuk. In Kirkuk sollten die Provinzwahlen später nachgeholt werden.

In Kurdistan-Irak fanden am 25. Juli 2009 Regionalwahlen statt. Als Präsident wurde Massoud Barzani (KDP) bestätigt. Bei der Wahl zum Regionalparlament konnte die gemeinsame Liste der beiden großen Parteien KDP und PUK 59% der Stimmen auf sich vereinigen. Erstmals zog mit „Goran“ (Wechsel)-Bewegung, eine Abspaltung der PUK, ins Parlament ein. Am 28. Oktober 2009 wurde das neue Kabinett unter Führung von Premierminister Barham Saleh (PUK) vereidigt.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

Stand 29.11.2010

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