Deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau und Humanitäre Hilfe

Deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau und Humanitäre Hilfe

Schiitischer Wallfahrtsort Samarra (Im Norden Iraks), Juli 2008
© dpa / picture-alliance

Samarra

Schiitischer Wallfahrtsort Samarra (Im Norden Iraks), Juli 2008

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Deutschland hat seit 2003 schnell wieder an die traditionell engen bilaterale Beziehungen zwischen Deutschland und Irak angeknüpft und leistet seitdem umfangreiche Hilfe.Ziel deutschen Engagements ist die Unterstützung des Irak bei der Herstellung einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft in Frieden und Stabilität.

Vor dem Hintergrund des enormen Ressourcenreichtums (Öl, Gas, gebildete Mittelschicht) und der Wiedererlangung staatlicher Souveränität soll die irakische Gesellschaft dabei unterstützt werden, in eigener Verantwortung die Zukunft des Landes zu gestalten. Deutschland unterstützt das Land heute beim Aufbau rechtsstaatlicher, marktwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Strukturen. Insgesamt wurden seit 2003 Unterstützungsleistungen von knapp 400 Mio. Euro erbracht. Darin waren der deutsche Anteil an den EU-Hilfen und multilaterale Beiträge Deutschlands (über Weltbank oder den IWF) eingeschlossen. Hinzu kommt ein Schuldenerlass von 4,8 Mrd. EUR im Rahmen des Pariser Clubs.

Rechstaatlichkeit / Menschenrechte

In der Konsolidierung der rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen sieht die Bundesregierung einen zentralen Baustein für die Festigung der demokratischen Strukturen des Irak. Die Bundesregierung hat deshalb den Bereich der Rechtsstaatsförderung zu einem Schwerpunkt ihres Engagements gemacht. Bisherige deutsche Unterstützung konzentriert sich auf Aus- und Fortbildung von Richtern, Staatsanwälten und Mitarbeitern der irakischen Menschenrechtsinstitutionen; sowie auf Beratungsleistungen zu verfassungsrechtlichen Fragen und beim Aufbau juristischer Ausbildungseinrichtungen. Menschenrechtsfragen spielen dabei eine zentrale Rolle, insbesondere bzgl. der Rechte von Frauen sowie ethnischer und religiöser Minderheiten.

Folgende aktuelle Maßnahmen wurden 2010 bereits umgesetzt oder sind in konkreter Planung (Auswahl):

  • Aus- und Fortbildung für Beamte aus Polizei, Strafjustiz und -vollzug, insbesondere über die integrierte EU-Rechtsstaatsmission EUJUSTLEX (seit 2005). Die Bundesregierung hat bislang insgesamt 13 Kurse in Deutschland abgehalten; die Mission bietet seit 2009 auch Ausbildungsmaßnahmen in Irak an (Bagdad, Erbil und Basra);
  • Beratungsleistungen für die Reform des irakischen Justizsystems, so im Bereich des Verfassungsrechts (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht); auf dieser Grundlage sind für 2010 Seminare für irakische Juristen angeboten;
  • Das United Nations Development Program (UNDP) erhält seit Januar 2010 maßgebliche finanzielle Unterstützung bei der Modernisierung der Juristenausbildung des „Judicial Education and Development Institute“ (JEDI) in Bagdad und beim Aufbau von Verfahren zur Veröffentlichung von Gerichtsentscheiden in Kooperation mit dem Obersten Justizrat;
  • In Erbil wurde eine „Europäische Führungsakademie“ eingerichtet, an der Aus- und Fortbildungskurse für Angehörige der Verwaltung stattfinden (seit 2009); allein im Jahr 2010 nahmen bereits über 2200 Personen am Programm im European Technology and Training Institute (ETTC) teil;
  • Menschenrechts-Programme umfassen u.a. Fortbildung für Mitarbeiter aus Justiz, Strafvollzug und dem irakischen Menschenrechtsministerium; Ziel ist die Qualifikation zur Durchführung von eigenständigen Fortbildungskursen; dabei wurde u.a. ein (arabischsprachiges) Menschenrechtshandbuch ausgearbeitet (kostenloser Download:
  • Diverse Programme zur Unterstützung von Versöhnungsprozessen in den traditionell von einer Vielzahl von ethnischen und religiösen Gruppen bewohnten Provinzen Kirkuk und Nineveh, so u.a. in Kooperation mit UNAMI/UNOPS und der Friedrich-Naumann Stiftung für die Freiheit;
  • Deutschland bildet seit 2007 jährlich mindestens 12 irakische Diplomaten durch das Auswärtige Amt fort.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Beschäftigungsförderung

Folgende aktuelle Maßnahmen wurden 2010 bereits umgesetzt oder sind in konkreter Planung (Auswahl):

  • Im Februar 2009 wurde in Bagdad ein Deutsches Wirtschaftsbüro eingeweiht, das deutsch-irakische Wirtschaftskontakte in einem schwierigen Umfeld erleichtern und damit zum Wiederaufbau des Landes beitragen soll; im Frühjahr 2010 wurde ein weiteres Büro in Erbil eröffnet, im Sommer 2010 eine Außenstelle in Basra;
  • Seit April 2009 gibt es eine vom Auswärtigen Amt finanzierte Wirtschaftsplattform im Internet, die Deutschen und Irakern wichtige Informationen über das jeweils andere Geschäftsumfeld vermittelt ();
  • Über das Programm „Horizonte 2015“ werden jährlich ca. 20 junge irakische Berufstätige fortgebildet; dies durch Deutsch-Kurse und Hospitationen bei namhaften deutschen Unternehmen. Das Programm wird vom Auswärtigen Amt in Kooperation mit dem Goethe Institut und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) durchgeführt;
  • Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) unterstützt die drei Handelskammern der Region Kurdistan-Irak in Sulaimania, Erbil und Dohuk bei Public-Private-Partnerships für Berufliche Bildung und Qualifizierungsmaßnahmen;
  • Außerdem berät die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die irakische Regierung beim wirtschaftlichen Transformationsprozess, d.h. beim Übergang von Planwirtschaft zu mehr Marktwirtschaft;
  • Zur Förderung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wurde die im Oktober 2010 in Erbil stattfindende Industriemesse zum zweiten Mal in das Messeprogramm des Bundes aufgenommen; es reiste eine deutsche Wirtschaftsdelegation im Juni 2010 nach Basra; mehrere deutsche Firmen nehmen dort Ende Nov.2010 an der Gas- und Ölmesse teil; zudem beteiligten sich nahmhafte deutsche Firmen an der Bagdader Industriemesse Anfang Nov. 2010.
  • Die Bundesregierung beteiligt sich seit 2006 am Internationalen Wiederaufbaufonds für Irak (International Reconstruction Fund Facility for Iraq/IRFFI) mit ca, 7,8 Mio. Euro; die Beiträge werden für Berufsbildungsmaßnahmen eingesetzt;der Bereich der technischen Berufsbildung wird von UNESCO koordiniert;
  • In Ägypten und Deutschland werden u.a. irakische Fach- und Lehrkräfte aus dem Bereich der beruflichen Bildung qualifiziert, die dann mit den erworbenen Kenntnissen einen Beitrag zum zivilen Wiederaufbau in Irak leisten können. In Ägypten wurden im Rahmen eines GTZ-Projektes (Kohl-Mubarak-Initiative) bereits 875 Iraker fortgebildet;
  • Das Auswärtige Amt plant ein mehrjähriges Berufsbildungsprojekt zur arbeitsmarktorientierten Modernisierung der technischen Ausbildung in Irak; Ziel ist die praxisnahe Reform der Ausbildungs-Curricula, v.a. bei technologieintensiven Berufen wie Wasserver– und –entsorgung, Gesundheitswesen und Transport), die Weiterbildung von Ausbildern und letztlich die Netzwerkbildung mit der deutschen und irakischen Privatwirtschaft;
  • Die Reintegration von zurückkehrenden Flüchtlingen spielt eine zentrale Rolle für eine dauerhafte Stabilisierung der Region. Die Bundesregierung fördert u.a. ein Rückkehrer-Programme von IOM (8, 4 Mio. EUR), das auf lokaler Ebene ansetzt;
  • Das Auswärtige Amt hat darüber hinaus in den vergangenen Jahren diverse (teils christliche) Hilfeorganisationen unterstützt, so u.a. das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC), die Caritas und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR).

Zivilgesellschaft , Kultur und Bildung

Folgende aktuelle Maßnahmen wurden 2010 bereits umgesetzt oder sind in konkreter Planung (Auswahl):

  • Verschiedene Projekte zur Vergangenheitsaufarbeitung; so etwa bei der Entwicklung einer Datenbank für Vermisste Personen (International Commission on Missing Persons), bei der Einrichtung eines Erinnerungs- und Dialogforums für überlebende Frauen der Anfal-Operationen im Nordirak (Haukari e.V.) sowie bei der Behandlung von Folter- und Traumaopfern für Erwachsene (Berliner Zentrum für Folteropfer) und für Kinder (Children of Baghdad e.V.);
  • Auch im kulturellen Bereich existieren vielfältige Initiativen: der Deutsche Akademische Austauschdienst baut u.a. seine Kooperation mit irakischen Universitäten immer stärker aus; das Goethe Institut hat im Frühjahr 2010 ein Büro in Erbil eröffnet; im September 2010 nahm die Deutsche Schule in Erbil Ihren Unterricht auf; schließlich ist das Deutsche Archäologische Institut in Irak tätig;
  • Die Nachrichten-Webseite „Niqash“ (www.niqash.org) versorgt die irakische Bevölkerung, aber auch Fachleute aus anderen Ländern, mit faktischen Hintergrundinformationen zur politischen Entwicklung; der Aufbau einer unabhängigen Journalistenakademie in Erbil ist in Planung.

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Schuldenerlass

Die Bundesregierung sprach sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt dafür aus Irak durch einen substanziellen Schuldenerlass die Chance zu geben, einen freien und wirtschaftlich gesunden Staat aufzubauen. Die Auslandsverschuldung Iraks beträgt rund 115 Milliarden US-Dollar. Auf den Pariser Club entfallen rund 39 Milliarden (hiervon auf Deutschland rund 5,8 Milliarden US-Dollar).

2004 einigten sich die Mitglieder des Pariser Clubs auf einen Schuldenerlass von insgesamt 80 Prozent in drei Stufen, beginnend am 1. Januar 2005. Die letzte Stufe wurde 2008 eingeleitet. Der deutsche Gesamterlass (Bund + Exporteure) beläuft sich auf 4, 693 Milliarden Euro.

Verhandlungen zum Abschluss eines konkreten Umschuldungsabkommens fanden im November / Dezember 2005 statt. Das Abkommen wurde 2005 in Berlin unterzeichnet.

Stand 30.11.2010

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