Der Konflikt um das iranische Atomprogramm

Der Konflikt um das iranische Atomprogramm

VN-Sicherheitsrat beschließt Res. 1929
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VN-Sicherheitsrat beschließt Res. 1929

VN-Sicherheitsrat beschließt Res. 1929

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Am 9. Juni 2010 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolution 1929 weitere Sanktionen gegenüber Iran verhängt. Bundesminister Westerwelle hob hervor, dass dies “eine klare und ausgewogene Antwort” der internationalen Gemeinschaft auf die anhaltende Weigerung Irans sei, die Zweifel an der friedlichen Natur seines Atomprogramms auszuräumen.

Die Resolution sei auch ein deutliches Signal der internationalen Gemeinschaft, dass eine atomare Bewaffnung Irans nicht hingenommen würde. Gleichzeitig unterstrich er, dass es das Ziel bleibe, den Atomkonflikt diplomatisch zu lösen. Die Tür für die Zusammenarbeit sei weiterhin offen. Es sei an Iran, endlich seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und mit der Völkergemeinschaft zu kooperieren.

Seit Jahren bestehen begründete Zweifel, ob das iranische Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Der Iran kooperiert in dieser Frage nur unzureichend mit der IAEO. Deutschland bemüht sich daher gemeinsam mit den USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien um eine diplomatische Lösung im Atomkonflikt. Mehrfach haben diese Länder – auch als “E3+3” bezeichnet –  Iran dazu Verhandlungsangebote unterbreitet. Auch der VN-Sicherheitsrat forderte Iran bereits mehrfach zu Kooperation und Transparenz auf.

Mit Resolution 1929 (2010) werden die seit Ende 2006 bestehenden Sanktionen gegenüber Iran weiter verstärkt. Sie enthält ausgewogene und gezielte Maßnahmen, die die iranische Führung zu einem Umdenken bewegen sollen. Die Sanktionen betreffen Einschränkungen beim Handel mit Iran, im Versicherungs- und Finanzsektor, im Verkehrssektor, bei den Investitionen in die Öl- und Gasindustrie sowie neue Visumssperren und die Einfrierung von Konten der Revolutionsgarden. Die Resolution enthält hingegen keine Maßnahmen, die sich gegen die iranische Zivilbevölkerung richten.

Atomanreicherungsanlage Natans (Archiv)
© picture-alliance/dpa

Atomanreicherungsanlage Natans (Archiv)

Atomanreicherungsanlage Natans (Archiv)

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Engagement der EU

Die EU hat über eine Implementierung und Erweiterung der Sanktionen gegenüber Iran beraten. Am 17. Juni billigten die Staats- und Regierungschefs der EU den von den Außenministern am 14. Juni vorgeschlagenen erweiterten Sanktionskatalog. Die Sanktionsmaßnahmen sind am 26. Juli vom Rat für Außenbeziehungen angenommen worden. 

Sie enthalten ein deutlich verschärftes Kontroll- und Überwachungssystem für Banken und Finanztransaktionen, ein Verbot mittel- und langfristiger Exportkredite, umfangreiche Neulistungen iranischer Unternehmen, Institutionen, Individuen und Dual-Use Gütern, nicht proliferationsbezogene Sanktionen im Energiebereich sowie verschärfte Kontrollpflichten für den Schiffsverkehr und ein Landeverbot für iranische Frachtflugzeuge auf europäischen Flughäfen.

Die iranische Anreicherungsanlage in Qom

Am 21. September 2009 informierte Iran die IAEO über die Existenz einer Urananreicherungsanlage in der Nähe der Stadt Qom, die er bis dahin entgegen seinen IAEO-Verpflichtungen geheimgehalten hatte. Nach 15 Monaten Gesprächspause gelang es den E3+3 am 1. Oktober 2009 erstmals wieder, direkte Gespräche mit Iran zu führen. Bei dem Treffen in Genf erklärte sich Iran bereit, der IAEO Zugang zu der Anreicherungsanlage zu gewähren. 

Der Gouverneursrat der IAEO forderte Iran am 27. November 2009 dazu auf, die Bauarbeiten an der Anreicherungsanlage umgehend einzustellen, mit der internationalen Gemeinschaft zu kooperieren und sein Atomprogramm transparent zu gestalten. Statt darauf einzugehen kündigte Iran den Bau weiterer Anlagen an und begann am 9. Februar 2010 mit der Anreicherung von Uran auf 20 Prozent. Bundesaußenminister Westerwelle kritisierte Teherans “Verweigerungshaltung” und kündigte “weitere Maßnahmen” der Völkergemeinschaft an, wenn die iranische Führung an ihrem Kurs festhalte.

Die Frage der Brennstoffversorgung des Teheraner Forschungsreaktors

IAEO in Wien

IAEO in Wien

Iran hatte sich im Juni 2009 an die IAEO gewandt, ihn bei der Versorgung eines medizinischen Forschungsreaktors in Teheran mit neuen Brennelementen (Anreicherungsgrad 20 Prozent) zu unterstützen. Die IAEO schlug Iran vor, dazu 1200 kg in Iran niedrig angereichertes Uran auszuführen, um dann nach weiterer Anreicherung in Russland und Fertigung der Brennelemente in Frankreich nach einem Jahr die erste Lieferung zu erhalten. 

Bei technischen Gesprächen in Wien im Oktober 2009 legte die IAEO konkrete Vorschläge für ein solches Verfahren vor. Die Bundesregierung begrüßte diese Vorschläge in der Hoffnung, dass auf ihrer Grundlage erste Schritte zur Vertrauensbildung erfolgen könnten. 

Am 24. Mai 2010 informierte Iran die IAEO über eine am 17. Mai verfasste trilaterale Erklärung mit Türkei und Brasilien, mit der Iran seine Bereitschaft erklärt, 1200kg seines um 3,5 Prozent angereichertes Uran im Gegenzug zu innerhalb eines Jahres gelieferten Brennelementen in die Türkei auszuführen. Jedoch bleiben viele Fragen offen: So will Iran weiterhin Uran auf 20 Prozent anreichern und ist nicht bereit, über sein Nuklearprogramm zu sprechen. Am 9. Juni haben die beteiligten Länder USA, Frankreich, Russland der IAEO eine abgestimmte Bewertung übermittelt. Damit ist Iran aufgefordert, die darin aufgeworfenen Fragen möglichst rasch zu beantworten, so dass die Chance auf einen möglichen Einstieg in Vertrauensbildung nicht verloren geht.

Warum ist die Urananreicherung im Iran problematisch?

Die Urananreicherung ist problematisch, weil sie nicht nur zur Versorgung von Atomkraftwerken, sondern auch für die Produktion von Spaltmaterial für den Bau von Kernwaffen verwendet werden kann. 

Iran hat den Nichtverbreitungsvertrag ratifiziert. Darin verpflichtet sich jeder Nichtkernwaffenstaat, keine Kernwaffen anzustreben. Zugleich hat er das Recht, die Nukleartechnologie für friedliche Zwecke zu nutzen. Damit alle Partner sicher sein können, dass ein als friedlich deklariertes Nuklearprogramm nicht für Waffenzwecke missbraucht wird, kontrolliert die IAEO das gesamte im Land befindliche nukleare Spaltmaterial. Dies geschieht im Rahmen eines Abkommens mit der IAEO, dem sog. Safeguards-Abkommen, das im Falle Iran seit 1974 in Kraft ist.

Atomanlage im iranischen Natans
© dpa/picture-alliance

Atomanlage im iranischen Natans

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Nach offizieller iranischer Lesart dient sein Atomprogramm dazu, die Energieversorgung des Landes um die Kernenergie zu ergänzen. Zur Zeit ist jedoch kein Atomkraftwerk am Netz – es existieren lediglich Forschungsreaktoren. In Busher wird derzeit mit russischer Hilfe das erste Kernkraftwerk fertiggestellt. Russland garantiert für dieses Kernkraftwerk auch die Brennstoffversorgung, womit es keiner eigenen iranischen Urananreicherung zur Produktion von Brennelementen für dieses Kernkraftwerk bedarf. 

Offizielle iranische Stellen behaupten, die Nukleartechnologie nur friedlich und nicht zur Produktion von Atomwaffen nutzen zu wollen. Im Jahr 2002 wurde allerdings bekannt, dass Iran über einen Zeitraum von 18 Jahren Anlagen errichtet und Materialien verwendet hat, die gemäß seines Safeguards-Abkommens gegenüber der IAEO deklarierungspflichtig waren. Damit hat Iran einen schweren Verstoß gegen seine internationalen Verpflichtungen begangen. Seither versucht die IAEO, die daraus enstandenen Fragen und Zweifel am iranischen Nuklearprogramm aufzuklären. Sie forderte Iran unter anderem 2006 in einer Resolution dazu auf, bis zur Wiederherstellung des verloren gegangenen Vertrauens auf alle Aktivitäten zur Urananreicherung und Wiederaufbereitung verzichten, den Bau eines Schwerwasserreaktors zu überdenken und das Zusatzprotokoll zu seinem Safeguards-Abkommen, das verstärkte Kontrollen erlaubt, zu ratifizieren und umzusetzen.

Beschlüsse des VN-Sicherheitsrates

Da die Bemühungen der IAEO und der E3 keine entscheidenden Fortschritte brachten, legte die IAEO den Fall im Februar 2006 dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor. Der VN-Sicherheitsrat handelte: Zunächst mit einer Erklärung des Präsidenten im März 2006, dann mit sechs Resolutionen (August 2006, Nr. 1696; Dezember 2006, Nr. 1737; März 2007, Nr. 1747; März 2008, Nr. 1803; September 2008, Nr. 1835; Juni 2010, Nr. 1929). Darin werden die Forderungen der IAEO – insbesondere nach einer Aussetzung der Anreicherung, der Wiederaufarbeitung, der Schwerwasseraktivitäten und der Anwendung des Zusatzprotokolls – aufgegriffen und völkerrechtlich verbindlich gemacht. Außerdem beschloss der Sicherheitsrat mehrfach völkerrechtlich verbindliche Sanktionen:

Die Lieferung von Waren und Technologien, die das umstrittene Atomprogramm fördern könnten, ist vom Sicherheitsrat verboten. Gegen Iran wird ein weitreichendes Waffenembargo verhängt. Auslandskonten von am Atomprogramm beteiligten natürlichen und juristischen Personen werden eingefroren. Für bestimmte Personen, die in das iranische Nuklearprogramm verwickelt sind, bestehen Reisehindernisse. Konkrete Maßnahmen richten sich vor allem auch gegen die iranischen Revolutionsgarden, die eng am Nuklearprogramm beteiligt sind. Zudem wurde ein Verbot sämtlicher Waffenexporte aus Iran, die Möglichkeit, verdächtige Schiffe auch auf Hoher See zu inspizieren, Beschränkungen des iranischen Finanzsektors sowie ein Aufruf, der iranischen Regierung keine weiteren staatlichen Kredite zu gewähren (Ausnahme: humanitäre und Entwicklungszwecke) beschlossen.

Verhandlungsangebote der Staatengemeinschaft (“E3+3”)

Abklingbecken in Atomreaktor
© Photothek

Abklingbecken in Atomreaktor

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Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens (die sogenannten “E3”) hatten parallel zu den Bemühungen der IAEO einen Gesprächsprozess aufgenommen, in dem sie Iran aufforderten, seine Aktivitäten zur Urananreicherung solange auszusetzen, bis das Vertrauen in den friedlichen Charakter seines Nuklearprogramms wiederhergestellt sei. 

Auch nach Überweisung an den VN-Sicherheitsrat 2006 setzten die E3 ihre Bemühungen fort. Das Format wurde erweitert, und im Juni 2006 legten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sowie der damalige Hohe Repräsentant der EU Solana, gemeinsam mit ihren Kollegen aus den USA, Russland und China (E3/EU + 3 auch E3+3) Iran ein umfassendes Kooperationsangebot vor.

Darin stellten sie Iran unter der Voraussetzung der Erfüllung der Forderungen des VN-Sicherheitsrats eine weitreichende wirtschaftliche, politische und nukleare Zusammenarbeit in Aussicht. Auf dieser Grundlage sollten Verhandlungen geführt werden. Formal hat Iran zwar auf dieses Angebot reagiert, die zentralen Forderungen aber weiter abgelehnt.

Deutschland verfolgt mit seinen internationalen Partnern im Rahmen der E3+3 eine Strategie, die sich als „doppelter Ansatz“ charakterisieren lässt: Einerseits wird dem Iran umfassende Kooperation angeboten für den Fall, dass er in der Frage seines Nuklearprogramms mit der Weltgemeinschaft kooperiert. Andererseits sollen Sanktionen des VN-Sicherheitsrats den Iran zum Einlenken in der Nuklearfrage bewegen, solange er nicht kooperiert.

Am 14. Juni 2008 reiste Javier Solana, diesmal begleitet von den Politischen Direktoren der E3, Russlands und Chinas, erneut nach Teheran und übergab ein erneuertes Verhandlungsangebot. Die neuen Vorschläge konkretisieren das Angebot von 2006 in vieler Hinsicht, enthalten aber gerade im wirtschaftlichen und politischen Bereich auch neue Elemente. Dieses Angebotspaket wird in der jüngsten Resolution 1929 (2010) ausdrücklich noch einmal bekräftigt. 

Am 6./7. Dezember 2010 wurden die Gespräche der E3+3-Gruppe mit Iran über seine Atomprogramm und andere Fragen wieder aufgenommen. Es waren die ersten direkten Gespräche in diesem Format seit mehr als einem Jahr (zuletzt am 1. Oktober 2009, ebenfalls in Genf).  

Eine weitere Gesprächsrunde fand am 21./22. Januar 2011 in Istanbul statt. Die E3+3 kamen mit Vorschlägen für vertrauensbildende Maßnahmen nach Istanbul. Außenminister Westerwelle sagte, Iran sei noch nicht zu substantiellen, vertrauensbildenden Schritten in Bezug auf sein Atomprogramm bereit gewesen. Er hoffe, dass Iran die “ausgestreckte Hand der Völkergemeinschaft” ergreife.


Stand 23.01.2011

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