Beziehungen zu Deutschland

Beziehungen zu Deutschland

Stand: März 2011

Die Grundlagen

Nach dem Beitritt der Bundesrepublik zu den Vereinten Nationen im Jahr 1973 nahmen beide Länder diplomatische Beziehungen zueinander auf. Einen Meilenstein für das bilaterale Verhältnis setzte Ungarn, als es am 10. September 1989 seine Grenze zu Österreich für die Flüchtlinge aus der damaligen DDR öffnete. Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher versprachen dem „Land, das den ersten Stein aus der Berliner Mauer brach“ tatkräftige Unterstützung bei der Annäherung an die Europäische Gemeinschaft, die heutige Europäische Union. Mehr als 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung erinnert sich Deutschland dankbar daran, welche bedeutende Rolle Ungarn seinerzeit für die Überwindung der Teilung Europas gespielt hat.


Zusammenarbeit in EU und NATO

Seit 1992 bildet der “Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa” eine wichtige Grundlage der bilateralen Beziehungen. Auf europäischer und multilateraler Ebene wurde die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ungarn durch das Europaabkommen zwischen der Europäischen Union und Ungarn von 1994, die Aufnahme Ungarns in die NATO im März 1999 und den ungarischen EU-Beitritt am 1. Mai 2004 erweitert und vertieft. Daneben arbeiten die beiden Länder in zahlreichen internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, der OSZE oder der in Budapest ansässigen Donaukommission eng zusammen.

Ungarn hat innerhalb kürzester Zeit nach seinem EU-Beitritt seine Rolle als gleichberechtigter Mitgliedsstaat in der Union gefunden. Deutschland bleibt dabei ein zentraler Partner. Die bilateralen politischen Beziehungen sind vertrauensvoll und problemfrei. Sie finden ihren Ausdruck in vielfältigen gegenseitigen Besuchen von der Arbeitsebene bis zur Staatsspitze – so beim Antrittsbesuch von Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Budapest im Februar 2010 sowie den Antrittsbesuchen von Außenminister János Martonyi und Ministerpräsident Viktor Orbán im Juli bzw. August 2010 in Berlin. Am 16. und 17. März empfing Bundespräsident Christian Wulff den ungarischen Staatspräsidenten Pál Schmitt zu einem Besuch in Berlin.


Deutsch-Ungarisches Forum

Wichtigster regelmäßiger Treffpunkt von Fachleuten aus Politik, Wirtschaft und Kultur aus beiden Ländern ist das Deutsch-Ungarische Forum, das seit 1990 jährlich abwechselnd in Deutschland und Ungarn veranstaltet wird (zuletzt am 4./5. November 2010 in Berlin). Diskutiert werden dabei nicht nur rein bilaterale Themen, sondern sämtliche Fragen der europäischen Integration und der regionalen Zusammenarbeit. Um das Forum zukünftig noch attraktiver zu gestalten, soll diese bewährte Plattform des Dialogs 2011 durch ein „Junges Deutsch-Ungarisches Forum“ ergänzt werden.


Parlamentsbeziehungen

Die interparlamentarischen Beziehungen entwickeln sich positiv. Bundestagspräsident Norbert Lammert und seine ungarischen Amtskollegen treffen regelmäßig zu bilateralen Konsultationen zusammen. Die Ungarisch-Deutsche Freundschaftsgruppe in der Ungarischen Nationalversammlung ist das mitgliederstärkste Gremium dieser Art und strebt einen intensiven Austausch mit der Deutsch-Ungarischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag an. Das Stipendienprogramm des Deutschen Bundestages (IPS), an dem seit 1990 schon rund 100 junge Ungarinnen und Ungarn teilgenommen haben, fördert die engere Zusammenarbeit. Seit 2008 gibt es ein Stipendienprogramm des ungarischen Parlaments für junge Deutsche, die die ungarische Politik hautnah miterleben möchten.


Deutsche Minderheit

Bei der Volkszählung 2001 bezeichneten sich 62.000 Bürgerinnen und Bürger Ungarns als Angehörige der deutschen Minderheit, als Angehörige des ungarndeutschen Kulturkreises sogar 87.000. Schätzungen zufolge leben in Ungarn sogar 200.000 Menschen mit deutschen Wurzeln. Damit bilden die Ungarndeutschen nach den Roma (500-600.000) die zweitgrößte nationale Minderheit. Auf der Basis des 1993 verabschiedeten und 2005 novellierten ungarischen Minderheitengesetzes vertritt die “Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen” (LdU) die politischen Interessen der deutschen Minderheit, besonders auf den Gebieten der Bildung und der Kultur. Die Bundesregierung leistet tatkräftige Unterstützung bei der Bewahrung des Erbes der Ungarndeutschen.


Wirtschaftsbeziehungen

Die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen sind außerordentlich eng und intensiv. Deutschland ist mit Abstand wichtigster Handelspartner Ungarns, vor Österreich, Russland, Italien und Frankreich. Auch 2010 wurde ca. ein Viertel der ungarischen Handels mit Deutschland abgewickelt. Das bilaterale Handelsvolumen lag 2010 nach ersten Berechnungen bei 34,8 Milliarden Euro.

Deutschland ist der größte ausländische Direktinvestor in Ungarn: Ende 2008 entfielen bei einem Gesamtbestand von ca. 68,2 Milliarden Euro 24 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in Ungarn auf deutsche Unternehmen. Es gibt in Ungarn über 7.000 ganz oder teilweise mit deutschem Kapital gegründete Unternehmen, die insgesamt rund 300.000 Personen beschäftigen.

Die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (DUIHK) in Budapest vertritt die wirtschaftlichen Interessen von rund 900 Mitgliedsfirmen aus Deutschland und Ungarn. Bei der Verbreitung von Informationen über Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in Ungarn spielt Germany Trade and Invest in Budapest eine wichtige Rolle, die deutsche Unternehmen mit aktuellen Informationen über den ungarischen Markt versorgt.


Kultur- und Bildungsaustausch

Das Goethe-Institut (GI), der Deutsche Akademische Austausch Dienst (DAAD), die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und zahlreiche andere Einrichtungen engagieren sich in der Zusammenarbeit. Zentrale Themen sind dabei die Förderung der deutschen Sprache, der akademische und schulische Austausch sowie kulturelle Veranstaltungen.

Die deutsche Sprache spielt in Ungarn in Bildung, Gesellschaft und Wirtschaft eine wichtige Rolle. Das Goethe-Institut Budapest bietet ein umfassendes Kursangebot und eine enge Zusammenarbeit mit Schulen in Ungarn.

Landesweit nehmen 42 ungarische Schulen an der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) teil. Derzeit arbeiten acht junge deutsche Erwachsene an ungarischen PASCH-Schulen im Rahmen des Freiwilligendienstes „kulturweit“.

In Budapest besteht seit 1992 die „Deutsche Schule Budapest – Thomas-Mann-Gymnasium“, die als Begegnungsschule auch von vielen ungarischen Schülerinnen und Schülern besucht wird. Am Ungarndeutschen Bildungszentrum (UBZ) in Baja/Frankenstadt können auf Grundlage eines besonderen Abkommens ebenfalls das ungarische und das deutsche Abitur abgelegt werden.

Pécs/Fünfkirchen stellte sich im Jahr 2010 zusammen mit Istanbul und Essen (Ruhrgebiet) als Kulturhauptstadt Europas vor.

Das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) unterstützt Ausstellungen deutscher Künstlerinnen und Künstler in Ungarn und hat derzeit zwei Kulturmanagerinnen nach Budapest und Szekszárd/Seksard entsandt.

Das deutsch–ungarische Filmabkommen über Beziehungen im audiovisuellen Bereich trat am 6. Dezember 2008 in Kraft.


Akademischer Austausch

Jährlich halten sich einige Tausend Ungarn im Rahmen von Studien- und Forschungsaufenthalten in Deutschland auf. Der Deutsche Akademische Austausch Dienst (DAAD) und die Robert-Bosch-Stiftung unterstützen diesen Austausch durch Stipendien. Der DAAD hat derzeit elf deutschsprachige Lektorinnen und Lektoren sowie zwei Sprachassistentinnen an ungarische Universitäten und Hochschulen entsandt. Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) vergibt Forschungsstipendien an ungarische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, fördert wissenschaftliche Konferenzen und übergibt Gerätespenden an wissenschaftliche Einrichtungen.

Die Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität Budapest (AUB) bildet pro Jahr ca. 150 Spitzenkräfte in den Fachrichtungen Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften, Internationale Beziehungen sowie Mitteleuropäische Studien in Deutsch aus. Die AUB hat sich zu einem „Leuchtturm“ in den deutsch-ungarischen Beziehungen entwickelt. So wurde an der AUB im November 2009 das Donau-Institut für interdisziplinäre Forschung gegründet. Gleichzeitig wurde eine Doktorandenschule eingerichtet.


Wissenschaft und Forschung 

Die im September 2004 unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung zur Weiterentwicklung und Intensivierung der Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung“ bildet die Grundlage für die Fortschreibung der deutsch-ungarischen Beziehungen in Wissenschaft und Forschung.

Größere Kooperationsprojekte entstanden zwischen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA), sowie der Ungarischen Stiftung für Wissenschaftliche Forschung (OTKA), zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) und der ungarischen Bay-Zoltán-Stiftung für angewandte Forschung sowie der MTA. Aktuelles Beispiel dafür ist die Gründung des Fraunhofer Projektzentrums für Produktionsmanagement und –informatik in Budapest. Darüber hinaus ist die deutsch-ungarische Zusammenarbeit im Hochschulbereich, die sich einer jahrhundertelangen Tradition erfreut, von herausragender Bedeutung. Es gibt gegenwärtig mehr als 300 Partnervereinbarungen zwischen Universitäten und Hochschulen beider Länder. Auch deutsche Firmen greifen gerne auf die traditionell gute Ausbildung ungarischer Fachleute zurück und suchen nach Kooperation insbesondere im Bereich der Ingenieurwissenschaften (vor allem Maschinenbau, Automatisierung) Informatik und Naturwissenschaften.

Das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm bietet weitere Instrumente zur Umsetzung gemeinsamer Ziele und zum Ausbau einer wettbewerbsfähigen Europäischen Forschungslandschaft. Damit werden auch Möglichkeiten für multinationale Großprojekte geschaffen.


Umweltschutz

Die deutsch-ungarische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umwelt- und Naturschutzes ist vielfältig und erfolgreich. Zahlreiche gemeinsame Projekte auf der Grundlage des entsprechenden Regierungsabkommens beider Länder bspw. im Bereich Abwasserreinigung, Kanalisation, Schlammversorgung, Abfallbehandlung, „Forschung für Nachhaltigkeit“, Nutzung erneuerbarer Energien und Klimaforschung sind ein Beleg hierfür.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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