Außenpolitik

Außenpolitik

Stand: November 2010

Grundlagen

Der Nahost-Konflikt und die Gestaltung der Beziehungen zum Nachbarland Syrien sind die beherrschenden Themen der libanesischen Außenpolitik. Syriens über Jahrzehnte ausgeübter direkter Einfluss auf den Libanon ist mit dem Rückzug seiner Truppen Ende April 2005 verschwunden. Inzwischen haben beide Länder diplomatische Beziehungen aufgenommen und Botschafter ausgetauscht.

Dies wurde durch die Wahl des Armeechefs Michel Sleiman zum Staatspräsidenten am 25. Mai 2008 ermöglicht. Dessen Politik der Äquidistanz zu den beiden politischen Lagern im Libanon mit gegensätzlichen Vorstellungen zur Syrienpolitik hat zusammen mit einer gewissen Öffnung Syriens Schritte zur Entspannung und Normalisierung des bilateralen Verhältnisses ermöglicht.

Eine weitere Aufwertung erfuhren die Beziehungen durch die rege Reisetätigkeit des neuen libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri.

Mit Israel befindet sich der Libanon ungeachtet des 1949 geschlossenen Waffenstillstandsabkommens formal weiter im Kriegszustand, ein Friedensvertrag kam bis heute nicht zustande. Die am 14. August 2006 wirksam gewordene Feuerpause (Sicherheitsratsresolution 1701) zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz wurde bisher lediglich einmal, am 03.08.2010 gebrochen. Dabei kam es bei einer Schießerei zwischen ISR und LBN Armee zu 4 Todesfällen. Der Fall wurde im Nachhinein unter Vermittlung von UNIFIL einvernehmlich als unglücklicher Einzelfall gewertet.

Aus libanesischer Sicht kann ein Friedensschluss mit Israel nur auf der Grundlage des Prinzips „Land gegen Frieden“ (Schaffung eines Palästinenserstaates und Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge, libanesische Hoheit über die sogenannten Sheba-Höfe), der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie des arabischen Friedensplans von Beirut aus dem Jahr 2002 erfolgen.

Territorialfragen

Ein wesentliches Anliegen Libanons ist die Rückgabe einiger noch von Israel besetzter Gebiete an der libanesischen Südgrenze (Sheba-Höfe). Außerdem wird erwartet, dass Israel, wie in der Sicherheitsratsresolution 1701 gefordert, die tägliche Verletzung der libanesischen Souveränität durch die noch immer anhaltenden Überflüge einstellt und den weiterhin besetzten libanesischen Nordteil des Ortes Ghadschar räumt, den Israel seit dem Konflikt 2006 wieder besetzt hält.

Palästinensische Flüchtlinge

Auch die Regelung der palästinensischen Flüchtlingsfrage ist ein wichtiges Anliegen für den Libanon. Nach Schätzungen leben in Libanon zwischen 200.000 und 250.000 Palästinenser, davon mehr als die Hälfte in zwölf der Hoheitsgewalt des libanesischen Staates weitgehend entzogenen Lagern. Aus libanesischer Sicht ist die Rückkehr der überwiegend 1948 aus dem heutigen Israel geflohenen Palästinenser wesentlicher Teil einer umfassenden Friedenslösung im Nahen Osten.

Beziehungen zur EU

Das EU-Assoziationsabkommen wurde nach mehrjährigen Verhandlungen am 17. Juni 2002 unterzeichnet und trat nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten der EU am 1. April 2006 in Kraft. Die EU-Kommission unterstützt auf dieser Grundlage durch Kooperationsprojekte die wirtschaftliche und administrative Modernisierung im Libanon. Der Aktionsplan für den Libanon im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik wurde im September 2006 in Kraft gesetzt.

Die EU-Mitgliedsstaaten sind die größten Truppensteller der im August 2006 mit erweitertem Mandat versehenen internationalen UNIFIL-Truppe. Sie stellen das UNIFIL-Kom­mando und die Führungsnation des UNIFIL-Flottenverbandes (derzeit Deutschland). Die EU und ihre Mitgliedstaaten beteiligten sich zudem umfassend am Wiederaufbau nach dem Krieg im Sommer 2006.

Beziehungen zur Arabischen Liga

Der Libanon ist Gründungsmitglied der Arabischen Liga und war am 27. und 28. März 2002 erstmals Gastgeber eines Gipfels der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer der Arabischen Liga. Auf dem Gipfel wurde eine Nahostfriedensinitiative verabschiedet, die für die arabische Seite bis heute wichtigster Bezugspunkt für eine Lösung der regionalen Konflikte ist: Sie wurde auf dem Gipfel der Arabischen Liga am 27. und 28. März 2007 in Riad erneut bestätigt.

Bei der Lösung der innenpolitischen Blockade im Libanon im Mai 2008 durch die Konferenz von Doha spielte die Arabische Liga unter ihrem Generalsekretär Amre Moussa eine wichtige Rolle.

Beziehungen zu weiteren Staaten

Schon im Osmanischen Reich (bis 1920), unter französischem Völkerbundsmandat (1920-1943) und verstärkt in und nach dem libanesischen Bürgerkrieg (1975-1990) haben sich enge Bindungen einzelner religiöser Gruppen des Libanon zu fremden Staaten herausgebildet. So haben die maronitischen Christen einen besonderen Bezug zu Frankreich, die Schiiten zum Iran und die Sunniten zu Saudi-Arabien und Ägypten. Daher ist die libanesische Außenpolitik immer darum bemüht gewesen, gleichzeitig gute Beziehungen zu all diesen Staaten zu unterhalten.

Die engen Beziehungen der Schiiten zum Iran und dessen offene Unterstützung der Hisbollah werden von vielen Mitgliedern der anderen Konfessionen kritisch bis ablehnend gesehen, analog gilt dies für das Sonderverhältnis Saudi-Arabiens zu den Sunniten.

Eine besondere Rolle spielte im Jahr 2008 Katar, unter dessen Ägide die Übereinkunft von Doha zur Beendigung der innenpolitischen Krise des Libanon erzielt wurde. Auch zu den anderen Golfstaaten, in denen viele Libanesen leben und arbeiten, sind die Beziehungen tief und meist harmonisch. Viele Golfstaaten hegen allerdings Misstrauen gegenüber der Hisbollah und sehen ein Erstarken der schiitischen Gemeinschaft im Libanon mit gemischten Gefühlen.

Zunehmend enger werden die Beziehungen zur Türkei, trotz einer gewissen Opposition armenisch-stämmiger Libanesen. Die Türkei giltals Modell für die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie, aber auchals regionale Macht mit guten Beziehungn sowohl zum Iran und Syrien als auch grds. zu Israel.

Traditionell eng sind die Beziehungen zur früheren Mandatsmacht Frankreich. Ganz besonders galt dies für den christlichen Teil der Bevölkerung, der bis heute teilweise noch frankophon ist. 

Ambivalenter sind die Beziehungen zu den USA. Bei Umfragen werden die USA regelmäßig zum unbeliebtesten Land aus Sicht der Libanesen gekürt, nicht zuletzt aufgrund der als anti-arabisch und anti-libanesisch empfundenen Außenpolitik und der Unterstützung für Israel. Andererseits führte die Unterstützung der Vereinigten Staaten (und Frankreichs) im Jahre 2005 mit zur Beendigung der syrischen Hegemonie. Die USA sind seit über 100 Jahren Zielland libanesischer Emigration, was zu zahlreichen familiären Bindungen und einer hohen Anzahl von doppelten Staatsbürgerschaften geführt hat.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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