Wirtschaft
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Stand: April 2011
Wirtschaftslage, Wirtschaftsstruktur
Estland verfolgt eine liberale Wirtschaftspolitik. Im Weltwirtschaftsforum-Ranking der wettbewerbsfähigsten Länder 2010/2011 belegt Estland den 33. Platz.
Nach der Rezession der vergangenen Jahre hat in der estnischen Wirtschaft eine Erholung eingesetzt. Ging das Wirtschaftswachstum 2009 noch um 13,9 Prozent zurück, konnte Estland 2010 ein Wachstum von 3,1 Prozent verzeichnen. Für 2011 rechnet man mit einem Wachstum von 4 Prozent. Der positive Trend wird gestärkt durch die Einführung des Euro am 1. Januar 2011.
Die Grundlage für die wirtschaftliche Erholung bildet eine gestiegene Exportnachfrage der wichtigsten Handelspartner Estlands. Die Inlandsnachfrage erholt sich dagegen nur langsam, bedingt durch niedrigere Einkommen sowie die Lage auf dem Arbeitsmarkt.
Im 1. Quartal 2010 verzeichnete Estland mit 8 Prozentpunkten die EU-weit größte Zunahme an Arbeitslosigkeit und erreichte mit einer Quote von 19 Prozent einen historischen Höchststand. Seit April 2010 ging die Arbeitslosigkeit leicht zurück, dennoch lag 2010 im Jahresdurchschnitt die Arbeitslosenquote bei 16,9 Prozent.
Wichtigste Wirtschaftszweige
Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen gehören Finanzdienstleistungen, Transport/Logistik, Telekommunikation, Tourismus, Handel und die Immobilien- und Baubranche. Die Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei spielen hingegen eine eher untergeordnete Rolle.
Der Güterumschlag in den estnischen Häfen, auch der Transithandel mit Rohstoffen aus Russland, hat 2010 wieder zugenommen. Insgesamt wurden 45,85 Millionen Tonnen umgeschlagen, 19,2 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im letzten Jahr verzeichneten die estnischen Häfen ein Aufkommen von 7,9 Millionen Passagieren. Generell verschärft sich der Wettbewerb im Transport- und Logistikbereich, da vor allem Russland, aber auch die anderen baltischen Staaten den Ausbau ihrer Häfen und Logistikinfrastruktur stark vorantreiben. Estland reagiert darauf mit diversen Investitionsmaßnahmen sowie einer stärkeren Diversifizierung.
In Estland genießen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien eine hohe Akzeptanz; PCs, Mobiltelefone und Internetbanking sind weit verbreitet. Das Land ist stolz auf so innovative Projekte wie die flächendeckende Anwendung von „e-government“ oder „e-learning“. Bei den Kommunalwahlen im Oktober 2005 wurde das „e-voting“ erstmals angewandt. Bei den Parlamentswahlen am 6. März 2011 wurden 140.846 (etwa 11 Prozent) der Stimmen elektronisch abgegeben.
Estlands Tourismussektor zählte bis zur globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zu den wachstumsstärksten Branchen des Landes (bis zu 15 Prozent des BIP). Nach einem Rückgang in den letzten Jahren verzeichnete die Branche 2010 wieder steigende Besucherzahlen. Letztes Jahr kamen 2,12 Millionen Touristen nach Estland.
Außenwirtschaft
Eine liberale Wirtschaftspolitik sowie die fast abgeschlossene Rechtsangleichung an EU-Richtlinien gelten als gute Investitionsbedingungen für ausländische Unternehmen. Unabhängig von ihrer Herkunft werden Investoren und Unternehmer in Bezug auf Verwaltungsverfahren, Steuerpolitik etc. gleich behandelt.
Als Wettbewerbs- und Standortvorteil gilt eine attraktive Unternehmensbesteuerung. Für Körperschaften wird die Einkommensteuer von derzeit 21 Prozent erst dann erhoben, wenn Gewinne ausgeschüttet werden.
Im Jahr 2010 betrug das Außenhandelsvolumen 17,98 Milliarden Euro mit einem Exportanteil von 8,75 Milliarden Euro und einem Importanteil von 9,24 Milliarden Euro. Das Handelsbilanzdefizit betrug rund 488 Millionen Euro und lag damit auf dem niedrigsten Wert seit 15 Jahren.
Die EU-Mitgliedstaaten sind die wichtigsten Handelspartner Estlands. Die Ausfuhren in die europäischen Länder bestehen im Wesentlichen aus Maschinen, Geräten und Anlagen, Holz(-produkten), Metall(-waren) und Textilien sowie Öl aus Ölschiefer und Elektroenergie.
Deutschland ist zusammen mit Finnland, Schweden und Russland einer der wichtigsten Handelspartner Estlands. Der Anteil des Warenverkehrs zwischen Estland und Deutschland betrug 2010 etwa 8 Prozent (rund 1,49 Milliarden Euro) des estnischen Außenhandelsvolumens. Deutschland ist nach Finnland zweitgrößter Lieferant der estnischen Importe mit einem Anteil von etwa 11 Prozent am estnischen Importvolumen (Importe aus Deutschland 2010: über 1 Mrd. Euro). Als Zielland für estnische Exporte liegt Deutschland auf dem fünften Platz mit etwa 5 Prozent aller estnischen Exporte (Exporte nach Deutschland 2010: rund 456,6 Millionen Euro). Wichtigstes Exportzielland für Estland ist Finnland (17 Prozent der estnischen Exporte).
2010 betrug der deutsche Anteil der ausländischen Direktinvestitionen in Estland (insgesamt: 12,3 Milliarden Euro) etwa 2,4 Prozent (rund 295,5 Millionen Euro). Deutschland steht damit auf Platz 7 der ausländischen Direktinvestitionen in Estland. Größter ausländischer Direktinvestor ist Schweden mit etwa 4,3 Milliarden Euro (rund 35,3 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in Estland).
In Estland sind etwa 430 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung registriert. Direkter Ansprechpartner der deutschen Wirtschaft ist die Deutsch-Baltische Handelskammer.
Die Messeaktivitäten in Estland konzentrieren sich örtlich auf Tallinn und Tartu, inhaltlich auf den privaten Konsumbereich. Den größten Zulauf verzeichnen die jährliche Baumesse (Eesti Ehitab), die Maschinenbaumesse (Instrutec) und die Tourismusmesse.
Mitgliedschaft in Wirtschaftsgruppierungen
Seit 9. Dezember 2010 ist Estland volles Mitglied der OECD.
Estland ist Mitglied des Internationalen Währungsfonds und der Weltbankgruppe. Ende November 1999 trat Estland der Welthandelsorganisation bei.
Die regionale Kooperation orientiert sich in erster Linie im Ostseeraum. Estland ist Mitglied im Ostseerat sowie im 1994 geschaffenen Baltischen Ministerrat (Baltic Council of Ministers).
Energiepolitik
Die Frage der Energiesicherheit ist eines der wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Themen. Estland strebt in seinen langfristigen Planungen eine größtmögliche Energieunabhängigkeit von Russland an. Dazu konzentriert man sich auf folgende Schwerpunkte:
- Einbindung in europäische Netze (Strom, Gas)
- Entwicklung erneuerbarer Energieträger (Windkraft, Biomasse)
- Errichtung eines eigenen Kernkraftwerkes (langfristige Planung)
- Steigerung der Energieeffizienz, besonders im Gebäudebereich
Traditionell stammte fast 90 Prozent der in Estland produzierten Energie aus der Ölschieferverbrennung. Heute deckt Estland bereits rund 15 Prozent seines Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien, vor allem Windkraft und Biomasse (Holz).
Estland ist vor dem Hintergrund der bis 2016 zu klärenden Frage zum Fortbestand der Großkraftwerke im Nordosten des Landes, die Ölschiefer verfeuern und eine starke Belastung der Umwelt mit sich bringen, auf der Suche nach praktikablen Alternativen. Dies ist zum einen die Umrüstung der bestehenden Anlagen, zum anderen die Erweiterung der Estlink-Strombrücke nach Finnland. Die bereits bestehende Verbindung soll durch ein weiteres Kabel ergänzt werden, wofür EU-Gelder in Höhe von 100 Millionen Euro bereit gestellt werden können. Dieses Unterseekabel „Estlink-2“ soll 2014 in Betrieb genommen werden. Durch die neue Leitung steigt die Gesamtleistung auf rund 1000 MW.
Zusätzlich arbeiten Estland und Finnland an einem Konzept für eine Gaspipeline (Balticconnector). Mit den beiden baltischen Staaten Lettland und Litauen sucht Estland nach einem Standort für ein Flüssiggasterminal.
Umweltpolitik
Umweltpolitisch problematisch ist die Ölschieferverbrennung. Dabei entstehen 88 Prozent des estnischen Gesamtausstoßes an Stickstoff und 95 Prozent des Feinstaubes (feste Partikel). 60 Prozent des verbrannten Ölschiefers bleibt als Asche zurück, die auf Halden gelagert wird. Hinzu kommen Grundwasserverschmutzung und Landschaftszerstörung durch den Ölschiefer-Tagebau.
2010 wurden aus Mitteln der EU rund 100 Umweltprojekte finanziert, zum Beispiel zum Ausbau erneuerbarer Energien, zur Auflassung von Müllhalden, zur Wasserwirtschaft und zum Naturschutz. Das größte Projekt war der Umbau der regionalen Abwasserentsorgung in Kohtla-Järve, der sich über sieben Jahre erstreckte und 2010 abgeschlossen werden konnte.
Hinweis