Wirtschaftspolitik

Wirtschaftspolitik

Stand: März 2011

Aktuelle Wirtschaftslage

Nach einer spürbaren Rezession infolge der weltweiten Finanzkrise hat sich die nicaraguanische Wirtschaft 2010 erholt. Entscheidender Motor ist der Export, der von hohen Preisen der wichtigsten Produkte Kaffee, Rindfleisch und Zucker profitierte. Ein weiterer Wachstumsfaktor war der Gold-Bergbau, in den zuletzt erhebliche ausländische Investitionen geflossen sind. Das Wirtschaftswachstum dürfte 2010 und 2011 jeweils um 4% liegen. Damit geht eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte einher, die noch im Vorjahr auf Stützungsmaßnahmen des IWF angewiesen waren. Auch die Binnennachfrage belebt sich zunehmend.


Wirtschaftspolitik

Im wesentlichen hat die Regierung Ortega die orthodoxe Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierung fortgeführt. Geld- und Fiskalpolitik sind am Erhalt makroökonomischer Stabilität ausgerichtet. Obwohl die Regierung mit sozialistisch gefärbter Rhetorik eine stärkere Rolle des Staates etwa bei Energie und Wasserversorgung beansprucht, sind Verstaatlichungen oder drastische Regulierungsmaßnahmen bisher ausgeblieben.

Andere Akzente setzt die Regierung jedoch mit den Hilfen, die seit 2008 Venezuela zur Verfügung stellt. Diese werden über privatrechtlich organisierte Joint Ventures in Sozialprogramme kanalisiert, die maßgeblich von den sandinistisch geprägten „Volksräten“ (Consejos de Poder Ciudadano, CPC) gesteuert werden und der Kontrolle des Parlaments und des Rechnungshofs entzogen sind.


Problem Armut

Nicaragua bleibt indessen zweitärmstes Land Lateinamerikas nach Haiti. Fast 80 Prozent der Bevölkerung lebten 2008 von unter zwei US-Dollar pro Tag. Der Anteil der Bevölkerung, die von einem US-Dollar oder weniger pro Tag lebt (extreme Armut) soll sich hingegen nach jüngsten Studien seit 2005 deutlich reduziert haben. Im Human Development Index 2009 der VN fiel Nicaragua indes gegenüber dem Vorjahr von Platz 120 auf 124 zurück, etwa gleichauf mit Botswana. Nach wie vor bleibt das Land weit hinter dem Nachbarn Costa Rica (Platz 54) zurück, dessen Pro-Kopf-Einkommen fünfmal höher ist.


Abhängigkeit von Finanzhilfe

Nicaragua ist stark von der Entwicklungszusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft abhängig. Rund 550 Millionen US-Dollar oder ein Drittel des nationalen Haushalts steuern ausländische Geber jährlich bei. 2007 leisteten allein Mitgliedsstaaten und Kommission der Europäischen Union ODA in Höhe von etwa 220 Millionen US-Dollar. Insgesamt befindet sich die nicaraguanische Wirtschaftsleistung Nicaraguas heute immer noch unter dem Niveau, das sie vor der Revolution von 1979 erreicht hatte. Hauptursachen dieser Schwäche waren der Bürgerkrieg der 80er Jahre, eine über Jahre verfehlte Wirtschaftspolitik, Naturkatastrophen, Korruption und die Schwankungen der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt.


Wichtigste Wirtschaftszweige

Nicaragua ist ein Agrarland mit schwacher industrieller Basis.
Es erwirtschaftet rund ein Viertel seines Bruttoinlandsproduktes in Landwirtschaft und Fischerei. In der Industrie – vor allem in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte – fand ein weiteres Viertel der Wertschöpfung statt. Der Handel trug rund 20 Prozent bei. Branchen mit besonders großem Wachstumspotenzial blieben die Textilindustrie, der Tourismus, die Landwirtschaft sowie die Energiewirtschaft:

  • Die Textilindustrie ist mit Abstand wichtigstes Zugpferd der nicaraguanischen Freihandelszonen.
  • Weiteres schnelles Wachstum verzeichnete der Tourismus; als einziges Land der Region konnte Nicaragua hier auch in den Krisenjahren 2008 und 2009 zulegen. Weitere Impulse für den Tourismus dürften von Reality-Fernsehsendungen ausgehen, die zuletzt in Nicaragua produziert wurden; neben der amerikanischen Erfolgsserie “Survivor – Nicaragua” wurden 2010 auch italienische und spanische Formate hier aufgenommen und machten Nicaragua einem neuen Publikum bekannt. Auch immer mehr Deutsche machen Urlaub im „Nischenmarkt“ Nicaragua – derzeit sind es jährlich rund 10.000. Als Wirtschaftsfaktor reizt der Tourismus mit einem Anteil von rund vier Prozent am BIP aber sein Potenzial noch längst nicht aus und liegt unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt.
  • Land- und Fischereiwirtschaft schaffen einen Großteil der Arbeitsplätze in Nicaragua und bleiben vorerst Motoren des Wachstums. Allein Kaffee und Rindfleisch machten 2009 mit je rund 230 Millionen US-Dollar ein gutes Drittel der nicaraguanischen Exporte aus. Weitere wichtige Exportprodukte sind Gold, Meeresfrüchte (aus Zucht und Fang), Erdnüsse und Zucker.
  • Gewisse Fortschritte macht Nicaragua bei der Nutzung seines enormen Potentials an erneuerbaren Energien. Deckte das Land seinen Energiebedarf von rund 800 MW noch 2007 fast ausschließlich durch importiertes Öl, haben seither Wind- und Geothermierkraftwerke ca. 15% der Produktion übernommen. Ein brasilianisches Konsortium plant 2013 die Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks Tumarin, das ca. 200 MW produzieren soll. Bis 2015 plant die Regierung den Anteil erneuerbarer Energien auf 90% zu steigern.


Wirtschaftsklima

Langfristig betrachtet hat die nicaraguanische Wirtschaft ein geringes aber beständiges Wachstum mit Rückschlägen am Anfang des neuen Jahrtausends erlebt. Während das BIP 1983 rund 2,8 Milliarden US-Dollar betrug, waren es 2005 fast fünf Milliarden US-Dollar. Lag das reale Wachstum des BIP pro Kopf zwischen 1983 und 1993 bei jährlich -5,1 Prozent, betrug es zwischen 2001 und 2008 3,3 Prozent. Dieser langfristige Trend hat seine wichtigste Ursache im Systemwechsel von 1990, mit dem der zerstörerische Bürgerkrieg, die Konfrontation mit den USA und die Planwirtschaft an ihr Ende kamen.


Außenwirtschaft

Die nicaraguanische Volkswirtschaft hängt heute hochgradig von der Entwicklung der Weltwirtschaft ab. Importe und Exporte steigen kontinuierlich und machen heute zusammen rund zwei Drittel des BIP aus. Dabei ist die Handelsbilanz Nicaraguas – wie die aller zentralamerikanischer Staaten – stark negativ. Im zentralamerikanischen Vergleich ist Nicaragua aber trotz positiver Marktbedingungen nach wie vor der bei weitem kleinste Exporteur; Costa Rica führt etwa das Vierfache aus. Allein die Ölimporte fressen beinahe zwei Drittel der Exporterlöse auf; zudem importiert Nicaragua viele Konsumgüter und Industrieerzeugnisse.

Mit Abstand wichtigster Handelspartner bleiben dabei mit einem Volumen von weit über eine Milliarde US-Dollar im Jahr die USA. Das Handelsaufkommen mit der Europäischen Union belief sich 2009 auf rund 200 Millionen US-Dollar. Auf bescheidenem Niveau entwickelte sich das deutsch-nicaraguanische Handelsaufkommen. Die Einfuhren aus Deutschland nach Nicaragua sanken leicht von 24,2 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 18,6 Millionen Euro im Jahr 2009. Die Ausfuhren von Nicaragua nach Deutschland sanken im gleichen Zeitraum ebenfalls leicht von 23,1 Millionen Euro auf 22,7 Millionen Euro. Ein deutsch-nicaraguanischer Investitionsschutz- und -fördervertrag ist seit 2001 in Kraft; das geltende nicaraguanische Investitionsgesetz verbietet die Diskriminierung ausländischer Investoren. Trotzdem belaufen sich die deutschen Direktinvestitionen in Nicaragua nach einer Umfrage des Ibero-Amerika-Vereins erst auf rund 30 Millionen US-Dollar. Ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht nicht.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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