Wirtschaft
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Stand: März 2011
Wirtschaftliche Gesamtlage
Seit dem nach fünf Protesttagen zurückgenommenen Versuch der Regierung, im Dezember 2010 die Treibstoffpreise drastisch zu erhöhen (bis 100 Prozent), hat das Land eine Welle von Unruhen, Protesten und Streiks erfasst. Viele Bereiche, vor allem der Transportsektor, die Nahrungsmittelhändler und die Gastronomie haben die Gelegenheit zur Erhöhung ihrer Preise schnell und intensiv genutzt. Die Endverbraucherpreise sind zum Teil um 30 bis 50 Prozent gestiegen. Die Gewerkschaften fordern zum Ausgleich eine Erhöhung der Mindestlöhne um über 90 Prozent, was von der Regierung als unsinnig bezeichnet wurde. Infolge dieser Entwicklungen ist die vorher hohe Popularität von Staatspräsident Morales und seiner Regierung stark gesunken.
Bolivien ist noch ein klassisches Entwicklungsland, könnte allerdings in absehbarer Zeit in die Gruppe der „middle income countries“ aufsteigen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in den letzten Jahren deutlich an, erreichte 2010 circa 19,2 Mrd. US-D. Das rechnerische Pro-Kopf-Einkommen beträgt somit circa 1.840 US-D. Boliviens Wirtschaft bleibt abhängig von Rohstoffexporten, insbesondere Erdgas, Metalle, Mineralien und Exporten landwirtschaftlicher Produkte wie Soja, Holz, Nüsse und Zucker.
Die bolivianische Wirtschaft wurde wegen der hohen Binnenorientierung und einer staatlichen Abschottungspolitik von den Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nur in geringerem Umfang tangiert. Der starke Verfall der Energie- und Rohstoffpreise Ende 2008/Anfang 2009 haben Bolivien allerdings zeitweilig spürbar getroffen.
Das Fehlen von in- und ausländischen Direktinvestitionen macht sich negativ bemerkbar. Einzelne Firmen sind in Nachbarländer (besonders Peru) ausgewichen. Während die inländische Produktion weitgehend stagniert, ist die staatliche Nachfrage weiter gestiegen. Die Inflationsrate, 2009 bei 3,3 Prozent, lag im Jahresdurchschnitt 2010 nach offiziellen Angaben bei 2,9 Prozent . Die letzten Monate des Jahres 2010 verzeichneten einen deutlichen Anstieg. Während zu Jahresbeginn die monatliche Inflationsrate lediglich bei 0,1 Prozent lag, erreichte sie im Dezember 7,2 Prozent.
Das reale Wirtschaftswachstum Boliviens 2010 betrug 3,6 Prozent (Angaben vorläufig). Die Wirtschaftspolitik der Regierung Morales verfolgt das Ziel einer Stärkung der Rolle des Staates. So wurde die staatliche Energiefirma Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos zur zentralen Institution bei Ausbeutung und Vertrieb der bolivianischen Energieressourcen ausgebaut.
Auch andere wirtschaftliche Schlüsselbereiche (z.B. Elektrizitätswirtschaft) wurden nationalisiert bzw. sollen stärker durch den Staat kontrolliert werden. Eine Reihe weiterer Nationalisierungen, darunter die landesweit größte Zementfabrik in Sucre, wurden eingeleitet. Das Haushaltsdefizit ist auf 1,5 Prozent des BIP gestiegen (der Saldo lag 2009 noch bei 0,1 Prozent).
Die Regierung subventioniert Mineralprodukte und Grundnahrungsmittel. Dies hat zur Folge, dass das Preisgefälle zum Schmuggel in Nachbarländer genutzt wird (Benzin, Zucker etc.).
Wichtige Investitionsvorhaben, wie die Exploration und Ausbeutung neuer Erdgasreserven und Bergbauvorhaben, sind geplant. Befreundete Staaten – wie Venezuela, Iran und China – zeigen Interesse an Investitionen und leisten Wirtschaftshilfe (VEN). Für die Lithiumexploration stehen stehen als mögliche Kooperationspartner Iran, Korea, Frankreich und Japan bereit.
Handel
Die Exporte sind 2010 um 41,5 Prozent (auf 6,87 USD) gestiegen, die Importe um 22, 6 Prozent (auf 5,37 Mrd USD). Der Handelsbilanzüberschuss betrug demnach 2010 1,5 Mrd USD (im Vorjahr 0,47 Mrd USD). Wichtigste Handelspartner Boliviens sind Brasilien, Argentinien, die USA, Japan und Venezuela. Die Ausfuhrgüter sind Erdgas, Bergbauerzeugnisse und Agrarprodukte. Eingeführt werden vor allem Maschinen, Chemikalien, Fahrzeuge, Elektroerzeugnisse, Treibstoffe und Lebensmittel. Die Abhängigkeit von Vorproduktimporten, hohe Transportkosten, Infrastrukturengpässe, ein überregulierter Arbeitsmarkt, ein eingefrorener Wechselkurs zum USD, eine schwerfällige Verwaltung, hohe Korruptionsanfälligkeit, Rechtsunsicherheit und eine schwache industrielle Basis beeinträchtigen aber die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes, besonders auch ggü. regionalen Konkurrenten (BRA, CHL, KOL, PER).
Hinweis