Entschuldung von Entwicklungs- und Schwellenländern
Entschuldung von Entwicklungs- und Schwellenländern
Unterzeichnung des Umschuldungsabkommens "Liberia V" am 26.06.2008
Unterzeichnung des Umschuldungsabkommens "Liberia V" am 26.06.2008
Unterzeichnung des Umschuldungsabkommens "Liberia V" am 26.06.2008
Unterzeichnung des Umschuldungsabkommens "Liberia V" am 26.06.2008
Schuldenkrisen sind das Ergebnis von Fehleinschätzungen von Kreditnehmern und -gebern. Sie können zurückgehen auf eine ineffiziente Verwendung von aufgenommenen Krediten oder auf eine Verschlechterung der außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen – z.B. Verfall von Exportpreisen.
Wo Zahlungsbilanzkrisen von untragbarer Verschuldung begleitet werden, können Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) durch Umschuldungen unterstützt werden. Kredite von Staat zu Staat werden im Pariser Club umgeschuldet, Kredite von Banken an Staaten im Londoner Club. Für die Regelung von Forderungen privater Anleihegläubiger fehlt es an einem vergleichbar systematischen Verfahren.
Umschuldungen können darin bestehen, Zahlungsforderungen in die Zukunft zu verschieben. Sie können aber auch einen teilweisen oder weitgehenden Erlass von Forderungen beinhalten, so vor allem der Fall bei Niedrigeinkommensländern.
Die Bundesregierung hat auf dem G8-Gipfel in Köln 1999, zusammen mit ihren G7-Partnern, eine deutliche Entlastung hochverschuldeter armer Entwicklungsländer vereinbart. Die sogenannte „Kölner Schuldeninitiative“ führt dazu, dass ein Schuldenerlass im Rahmen der HIPC (Heavily Indebted Poor Countries) – Initiative rascher und flexibler gewährt wird als zuvor.
Ziel ist die Reduzierung des Schuldenstands dieser Länder auf ein tragbares Niveau. Deutschland erlässt – wie die anderen G8-Mitglieder auch – im HIPC-Rahmen generell 100% der umschuldungsfähigen Handelsforderungen und alle Entwicklungshilfeforderungen. Nach Abschluss der HIPC-Initiative wird Deutschland rund 7 Milliarden Euro erlassen haben, gut 3,7 Milliarden Euro wurden bereits gestrichen. Darüber hinaus trägt die Bundesregierung mehr als 300 Millionen Euro an Zuschüssen und mehr als 250 Millionen Euro an zinslosen Darlehen zu Fonds bei, aus denen Erlassmaßnahmen der Weltbank und des IWF finanziert werden.
Die HIPC-Länder verpflichten sich ihrerseits, die beim Schuldendienst eingesparten Mittel vollständig zur Armutsbekämpfung zu verwenden. Sie erhalten damit neuen Spielraum für dringend notwendige Investitionen im Bildungs-, Sozial-, Umwelt- und Infrastrukturbereich. Jedes Land erarbeitet in Zusammenarbeit mit Weltbank und IWF und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft eine Armutsbekämpfungsstrategie mit verifizierbaren Indikatoren.
Die HIPC-Ländergruppe umfasst insgesamt 41 Länder, zum Großteil aus Subsahara-Afrika. Um eine dauerhafte Wirkung zu erzielen, ist die Entschuldung an die Durchführung wirtschafts- und sozialpolitischer Reformen gebunden. Die Länder qualifizieren sich für HIPC-Schuldenerlasse, indem sie in enger Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank eine auf Wachstum und tragfähige Entwicklung ausgerichtete Politik verfolgen. Von den 41 hochverschuldeten und armen HIPC-Ländern haben bisher 35 Staaten den sogenannten Entscheidungspunkt erreicht, ab dem konkrete Schuldenerleichterungen gewährt werden: Afghanistan, Äthiopien, Benin, Bolivien, Burkina Faso, Burundi, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Haiti, Honduras, Kamerun, Kongo – Demokratische Republik (Zaire), Kongo – Republik, Liberia, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mosambik, Nicaragua, Niger, Ruanda, Sambia, Sao Tomé e Principe, Senegal, Sierra Leona, Togo, Tschad, Tansania und Uganda, Zentralafrikanische Republik.
Der Schuldenstand dieser 35 Staaten verringert sich um etwa zwei Drittel. Der Schuldendienst der 35 Länder liegt im Durchschnitt bei 8% der Exporteinnahmen (vor HIPC: 18%). Die armutsbekämpfenden Ausgaben nehmen zu.
Die HIPC-Initiative wurde 2005 auf Initiative der G8 um die multilaterale Erlassinitiative (Multilateral Debt Relief Initiative; MDRI) erweitert. Absolventen der HIPC-Initiative erhalten zusätzlich zum HIPC-Erlass einen vollständigen Erlass ihrer Kredite beim Internationalen Währungsfonds, dem Afrikanischen Entwicklungsfonds, der Interamerikanischen Entwicklungsbank (seit 2007) sowie dem konzessionären Arm der Weltbank (International Development Association; IDA).
Bei allen 26 HIPC-Absolventen (Äthiopien, Benin, Bolivien, Burkina Faso, Burundi, Gambia, Ghana, Guyana, Haiti, Honduras, Kamerun, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mosambik, Nicaragua, Niger, Ruanda, Sambia, Sao Tomé und Principe, Senegal, Sierra Leone, Tansania, Uganda, Zentralafrikanische Republik) wurden diese Schuldenerleichterung bereits umgesetzt. Tadschikistan und Kambodscha erhielten (als nicht HIPC-Länder) unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls einen IWF-Erlass. Der Gesamtumfang dieser multilateralen Erlasse beläuft sich auf noch einmal rund 43 Milliarden US$.
Ob ein Schuldenerlass nachhaltig wirkt, hängt ab von der Beibehaltung des eingeschlagenen Reformwegs durch das Schuldnerland, von der Unterstützung durch Geberleistungen und von den weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen (terms of trade, Marktöffnung etc.). Angesichts der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sind noch weitere Herausforderungen hinzugekommen. Entscheidend ist eine vorsichtige Politik bei der Aufnahme neuer Kredite. Diesem Ziel verschreibt sich das Schuldentragfähigkeits-Rahmenwerk von IWF und Weltbank, das unter Berücksichtigung der Schockanfälligkeit der nationalen Wirtschaft und der Qualität der Regierungsführung des Schuldnerlands indikativ angibt, welche Schuldenlast auch langfristig tragbar ist.
Laut IWF und Weltbank haben die Schuldenerlasse in zahlreichen HIPC-Ländern dazu geführt, dass die Ausgaben für die Armutsbekämpfung angestiegen sind, während der Schuldendienst als Anteil der Staatsausgaben deutlich gesunken ist. So befinden sich viele Länder in einer finanziell stabileren Lage als noch vor einigen Jahren.
Stand 22.02.2011