Innenpolitik

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Stand: Januar 2011

Innenpolitik

Ihre vollständige staatliche Unabhängigkeit erhielt die Republik Belarus im Dezember 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion (Unterzeichnung der Urkunde zur Kündigung des Unionsvertrages im belarussischen Wiskuli). Am 15. März 1994 verabschiedete der Oberste Sowjet die Verfassung der Republik Belarus. Sie sieht als Staatsform ein präsidiales System vor. Im Sommer 1994 fanden erstmals Präsidentschaftswahlen statt, aus denen in der Stichwahl Alexander Lukaschenko mit über 80 Prozent der Stimmen als Sieger hervorging. Er war mit dem Versprechen angetreten, die alte „Nomenklatur“ aus ihren Positionen zu verdrängen, der verbreiteten Korruption ein Ende zu bereiten und eine neue Verwaltung zum Wohle der Bevölkerung aufzubauen. Mit der Verfassungsänderung vom 17. November 2004 war es Lukaschenko möglich, auch bei den  Präsidentschaftswahlen 2006 und 2010 zu kandieren.

Im November 1996 ließ Präsident Lukaschenko ein Referendum zur Änderung der Verfassung abhalten, das ihm erheblich ausgeweitete Machtbefugnisse zu Lasten der Gewaltenteilung einräumte. Mit der geänderten Verfassung verfügt der Präsident über umfangreiche legislative Rechte (präsidiale Dekrete, Erlasse und Anordnungen mit bindender, de facto den Gesetzen übergeordneter Kraft). Unmittelbar nach diesem Referendum wurde die neue Verfassung in Kraft gesetzt, der Oberste Sowjet aufgelöst und ohne Wahlen eine „Nationalversammlung“ einberufen. Seit 2000 finden alle vier Jahre reguläre Parlamentswahlen statt. Die letzten vom 28. September 2008 erfüllten nach Einschätzung der OSZE-ODIHR (Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE) -Wahlbeobachtermission erneut  die OSZE-Standards nicht, jedoch waren Fortschritte während der Wahlkampagne zu beobachten.
Im August 2008 wurden die damals letzten drei international anerkannten politischen Gefangenen, darunter der ehemalige Präsidentschaftskandidat Kosulin, aus der Haft entlassen. Damit war  eine wichtige Forderung des Westens gegenüber Belarus erfüllt worden.
Ende 2008/Anfang 2009 konnten  weitere innenpolitische Liberalisierungsschritte verzeichnet werden, wie die Registrierung der Demokratiebewegung „Für Freiheit“, die Einbeziehung unabhängiger Experten und Oppositioneller in den Gesellschaftlichen Konsultativrat sowie unabhängiger und oppositioneller Journalisten in den Nationalen Medienrat, die Aufnahme der zwei wichtigsten oppositionellen Zeitungen in den staatlichen Vertrieb, die Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten für unabhängige Gewerkschaften. Diese Fortschritte waren aber immer wieder auch von Rückschritten begleitet, wie zum Beispiel Nichtregistrierung neuer prodemokratischer Parteien und Organisationen aus formellen Gründen wie auch die Kommunalwahlen am 25.4.10, die keine wesentliche Annäherung an OSZE-Standards erbrachten.

Von der internationalen Gemeinschaft wurden weiterhin staatliche Einschränkungen der Medien-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit beklagt. EU und Europarat kritisieren, dass Belarus der einzige europäische Staat ist, in dem die Todesstrafe sowohl verhängt als auch vollstreckt wird.

Der Präsidentschaftswahlkampf 2010 hatte nach außen hin zunächst einen liberalen Anstrich durch eine Vielzahl von zugelassenen Kandidaten, denen relativ freie Agitation auf der Straße, in Printmedien und sogar Live-Auftritte im Staats-TV zugestanden wurden.

Doch die Wahl selbst, die von Manipulation und Intransparenz gekennzeichnet war, und v.a. die gewalttätigen Ausschreitungen der Ordnungskräfte am Wahlabend des 19.12.2010 gegen Demonstranten und die Festnahme von über 700 Personen  (Demonstranten, Oppositionspolitiker, unabhängige Journalisten und Menschenrechtsaktivisten) setzten schließlich jeglichen Hoffnungen auf Demokratisierung und Liberalisierung in Belarus ein vorläufiges Ende.  Während die meisten der Verhafteten nach Verbüßung einer 10- bis 15-tägigen Haftstrafe freigelassen wurden, blieben über 30 in Untersuchungshaft und wurden der  Teilnahme an bzw. Organisation von Massenunruhen angeklagt,  was  Haftstrafen bis zu 15 Jahren zur Folge haben kann. Unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen begann eine Welle von Repressionsmaßnahmen gegen Opposition, unabhängige Medien und Zivilgesellschaft: Durchsuchung von Büroräumen, Beschlagnahmung von Computern und anderer Arbeitsmaterialien, Verhöre durch den KGB, Ausreiseverbote, Festnahmen.


Parteien und Opposition

Eine „Regierungspartei“ im eigentlichen Sinn gibt es in Belarus nicht. Mehr als 95 Prozent der Abgeordneten des belarussischen Parlaments sind parteilos. Im November 2007 wurde die „Pro-Lukaschenko-Sammlungsbewegung“ „Belaja Rus“ gegründet, die sich nach ihrem Statut in eine Partei umwandeln könnte, was jedoch bisher nicht geschehen ist.
Die Arbeit der Opposition, die  bis zu den Präsidentschaftswahlen 2010 nur – und zudem begrenzt – im außerparlamentarischen Bereich wirken konnte, wurde durch die Verhaftungswellen seit dem 19. Dezember 2010 weitgehend lahm gelegt. Zurzeit konzentriert sie sich auf ein Ziel: die Freilassung der Inhaftierten und die Beendigung der Repressionswelle. Zu diesem Zweck wurde ein Nationaler Koordinationsrat der Opposition gebildet.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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