Beziehungen zu Deutschland

Beziehungen zu Deutschland

Stand: Januar 2011

Politische Beziehungen

Nach der Unabhängigkeit Belarus’ (1991) entwickelten sich die deutsch-belarussischen politischen Beziehungen zunächst positiv. Bis Mitte der 90er Jahre entfaltete sich ein intensiver Besucherverkehr mit zahlreichen gegenseitigen Ministerbesuchen. Die innenpolitischen Entwicklungen nach dem Amtsantritt von Präsident Lukaschenko (1994) belasteten jedoch zunehmend das Verhältnis zu den EU-Staaten und damit auch zu Deutschland. Sie führten schließlich zur Entscheidung des Allgemeinen Rates der EU vom 15.9.1997, die politischen Beziehungen zu Belarus einzuschränken. Auch der Deutsche Bundestag forderte Belarus wiederholt zu Fortschritten in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf.

Mit den Beschlüssen des Allgemeinen Rates der EU vom 13. Oktober 2008 sowie des Gipfels von Prag zur Östlichen Partnerschaft am 7. Mai 2009 wurde die Tür für eine neue Phase der Zusammenarbeit des Westens mit Belarus geöffnet. Das Kontaktverbot auf Ministerebene und höher wurde aufgehoben und die Visasperrliste mit wenigen Ausnahmen ausgesetzt. Diese Beschlüsse waren Ausdruck der Erwartungen an weitere demokratische Veränderungen sowie Voraussetzung für normale politische Kontakte und kritischen Dialog.

Mit dem Besuch von Außenminister Martynow am 11. Februar 2009 in Berlin wurde eine neue Phase der bilateralen Beziehungen eingeleitet. Nach einem weiteren Berlin-Besuch von Außenminister Martynow im Juli 2010 reiste am 2. November 2010 Bundesaußenminister Westerwelle gemeinsam mit seinem polnischen Amtskollegen Sikorski nach Minsk, um die belarussische Regierung zu freien und fairen Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember 2010 aufzurufen. In Minsk trafen die beiden Minister neben der Regierung auch mit Vertretern der Opposition zusammen. Am 3. und 4. November 2010 eröffnete der Chef des Bundeskanzleramts und Minister für besondere Aufgaben Ronald Pofalla in Minsk das 13. Minsk-Forum.

Die von Manipulation und Intransparenz gekennzeichneten Präsidentschaftswahlen am 19.12.2010, das gewaltsame Vorgehen der Staatsmacht gegen Demonstranten und die zwischenzeitliche Festnahme von  über 700 Oppositionellen, einschließlich fast aller Präsidentschaftskandidaten am und nach dem Wahlabend, wurde von der Bundesregierung scharf kritisiert. Sie bedeuten einen herben Rückschlag nicht nur für die Demokratisierung und Annäherung von Belarus an die EU, sondern auch für die offiziellen bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Belarus.


Wirtschaftsbeziehungen

Die Bundesrepublik war auch 2010 (Jan-Nov) hinter den Niederlanden zweit wichtigster westlicher Handelspartner von Belarus mit 4,8% am gesamten Außenhandel.  Im Zeitraum Januar-November   betrug der belarussische Export nach Deutschland  422,1Mio USD (- 51,2% gegenüber Vorjahreszeitraum), der belarussische Import aus Deutschland belief sich auf 1,836 Mrd (+5%).

Belarus exportiert nach Deutschland vor allem Textilien, Holz und Holzerzeugnisse, medizinische Ausrüstungen sowie Chemieprodukte, Traktoren und optische Erzeugnisse. Importartikel sind Investitionsgüter, Maschinen und Anlagen, chemische Produkte und Fahrzeuge. Deutschlands Anteil an den ausländischen Direktinvestitionen i.H.v. 3,899 Mrd USD (Jan-Sept 2010) fällt mit  0,85 Prozent bzw. 33,15 Mio USD gering aus. . Die deutsche Wirtschaft ist in Minsk seit 2001 durch eine Repräsentanz des DIHK vertreten. Trotz weiterhin schwieriger wirtschaftlicher und administrativer Rahmenbedingungen sind derzeit circa 360 deutsche Unternehmen in Belarus aktiv, davon 96 mit Repräsentanzen .

Neben der Handels- und Investitionstätigkeit engagiert sich Deutschland auch in der Unterstützung des Transformationsprozesses in Belarus. Projekte der wirtschaftlichen Beratung und der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen bilden einen Schwerpunkt im von der Bundesregierung 2002 aufgelegten „Förderprogramm Belarus“.


Kulturelle Beziehungen

Grundlage für die engen und vertrauensvollen deutsch-belarussischen Kulturbeziehungen ist das 1994 unterzeichnete Kulturabkommen. Schwerpunkte der kulturellen Zusammenarbeit sind Bildung (Schul- und Hochschulkooperation) und Wissenschaft, Förderung der deutschen Sprache sowie Musik, Theater und Ausstellungen. Eine besondere Bedeutung kommt dem 1993 gegründeten Goethe-Institut Minsk zu, das  neben einer intensiven Spracharbeit vielfältige Kulturveranstaltungen in der Hauptstadt und den Regionen organisiert. Darüber hinaus betreut das Goethe-Institut Minsk ein deutsches Bibliotheksnetzwerk in Belarus.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (seit 2003 mit einem Informationszentrum in Minsk vertreten), die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Alexander von Humboldt-Stiftung fördern Projekte im Wissenschaftsbereich in Belarus. Der DAAD betreut die belarussische Hochschullandschaft, fördert die Zusammenarbeit mit deutschen Hochschulen und vergibt Stipendien.

Das 1998 gegründete „Institut für Deutschlandstudien“ in Minsk bietet deutsche Studiengänge an, organisiert Kolloquien und verfügt über die größte deutschsprachige Fachbibliothek in Belarus.

Im schulischen Bereich sind in Belarus die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) und das Goethe-Institut im Rahmen der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ tätig. Die deutsch-belarussische „Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte ‘Johannes Rau’ Minsk“ organisiert vielfältige Bildungs- und Begegnungsprogramme mit zivilgesellschaftlicher Ausrichtung. Seit Ende 2009 unterhält der Deutsche Volkshochschul-Verband in Minsk eine eigene Vertretung, die unter dem Stichwort “lebenslanges Lernen” landesweit Projekte der Erwachsenbildung durchführt.

Traditioneller Höhepunkt des deutschen Kulturengagements in Belarus ist die Deutsche Kulturwoche, die von den deutschen Kultur- und Bildungsorganisationen gemeinsam mit ihren belarussischen Partnern sowie der Deutschen Botschaft im Herbst eines jeden Jahres organisiert wird und stets auf große Resonanz stößt.


Zivilgesellschaftliches Engagement

Enge Verbindungen zwischen Belarus und der Bundesrepublik bestehen im zivilgesellschaftlichen Bereich. Mehrere hundert private deutsche Initiativen engagieren sich in der humanitären Hilfe zur Linderung der Tschernobyl-Folgen auch 25 Jahre nach der Reaktorkatastrophe  1986.

Zahlreiche weitere deutsche Nichtregierungsorganisationen widmen sich dem Thema der Aussöhnung mit Belarus, das besonders stark während beider Weltkriege gelitten hat.

Ein dritter Schwerpunkt für die Arbeit vieler deutscher Initiativen ist die Hilfe beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen, die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie die Kooperation im Kultur- und Bildungsbereich. Wichtig für die Gesamtbeziehungen sind auch die rund 20 Partnerschaften zwischen deutschen und belarussischen Kommunen. Die Bundesregierung unterstützt das deutsche zivilgesellschaftliche Engagement in Belarus insbesondere durch das 2002 aufgelegte „Förderprogramm Belarus“.

Seit 1994 ist – als deutsch-belarussisches Gemeinschaftsunternehmen – die „Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte Johannes Rau” („IBB“) in Minsk tätig, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein Haus der Begegnung, der Versöhnung und des Dialogs zu sein. In den Bereichen Politik, Wirtschaft, Geschichte, Medien, Ökumene, Umwelt und Soziales wird hier interkulturelle Bildungs- und Begegnungsarbeit geleistet.

Seit 13 Jahren findet alljährlich in Minsk das „Minsk-Forum“ statt, – eine öffentlich weithin beachtete mehrtägige Diskussionsveranstaltung, die Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus Belarus, Deutschland und ihren europäischen Nachbarn zusammenbringt. Das Minsk-Forum wird von der deutsch-belarussischen Gesellschaft organisiert, Kooperationspartner sind die Bertelsmann Stiftung, die Commerzbank AG, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, The German Marshall Fund of the United States, die Hanns-Seidel-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte (IBB) Johannes Rau in Minsk, die Konrad-Adenauer-Stiftung, der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, das OSZE Büro in Minsk sowie die Robert Bosch Stiftung. Die Konferenz wird durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Minsk und das Auswärtige Amt unterstützt.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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