Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: Oktober 2010

Parlament und Parteien

Die seit jeher dominierenden politischen Kräfte Australiens sind die sozialdemokratische Australian Labor Party (ALP) und die konservative Liberal Party (LP), die das Land seit Gründung des Commonwealth of Australia mit kurzen Unterbrechungen abwechselnd regiert haben. Von 1949 bis 1983 (die ersten 16 Jahre Premierminister Menzies) regierten die Liberals, unterbrochen 1972 bis 1975 von einer Labor-Regierung unter Premierminister Whitlam. Ab 1983 folgten 13 Jahre unter den Labor-Premierministern Hawke und Keating. Von 1996 bis 2007 regierte eine Koalitionsregierung aus Liberals und Nationals unter Premierminister John Howard.

Bei den Parlamentswahlen 2007 gelang es der ALP, die Macht zurückzugewinnen. Premierminister war zunächst der ehemalige Diplomat Kevin Rudd, der im Juni 2010 von Julia Gillard abgelöst wurde, die bis dahin dessen Stellvertreterin gewesen war. Aus den Wahlen am 21. August 2010 ging – anders als in Australien üblich – keine der beiden großen Parteien als klarer Sieger hervor: Zwar musste die regierende Labor-Partei deutliche Einbußen hinnehmen, die Liberals konnten allerdings umgekehrt nicht ausreichend Sitze für eine Parlamentsmehrheit erlangen. Nach wochenlangen Verhandlungen konnte Labor sich Mitte September die Unterstützung eines Grünen-Abgeordneten und dreier unabhängiger Abgeordneter sichern, sodass die Labor-Regierung unter Premierministerin Julia Gillard im Amt verbleiben konnte. Neuer Außenminister ist Gillards Vorgänger als Premierminister, Kevin Rudd.


Innenpolitische Herausforderungen

Die in der australischen Politik ungewohnte Konstellation einer von Unabhängigen unterstützen Minderheitsregierung hat ihre bewährungsprobe nunmehr vor sich. Premierministerin Julia Gillard muss eine Mehrheit für ihre Politik immer wieder neu sicherstellen, denn die Unterstützungsvereinbarungen mit den Unabhängigen und dem Grünen beschränken sich auf die Ablehnung etwaiger Misstrauensanträge der Opposition sowie die Verabschiedung der Haushalte. Darüber hinaus gibt es nur wenige inhaltliche Absprachen; außerdem sind die vier Abgeordneten in ihrem Stimmverhalten nicht gebunden.

Obwohl sich Australien dank des hohen Haushaltsüberschusses und der geringen Betroffenheit der australischen Banken im Vergleich zu anderen westlichen Industriestaaten in einer wesentlich günstigeren Ausgangslage befand, bedeutete die Finanzkrise 2009 auch für die australische Regierung eine große Herausforderung. Es gelang ihr jedoch, mit einer geschickten Konjunkturpolitik und gezielten Stimuluspaketen eine Rezession und eine signifikante Zunahme der Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Infolge der starken Inanspruchnahme der Regierung durch die Wirtschaftskrise trat jedoch das ehrgeizige Reformprogramm, mit dem die Regierung Rudd Ende 2007 angetreten war, in den Hintergrund. Erst langsam kommt etwas Bewegung in die Reformvorhaben auf den Gebieten des Erziehungs- und Gesundheitswesens sowie der Modernisierung der sowohl im Transport- wie auch im Telekommunikationssektor teilweise veralteten Infrastruktur. Auch die angekündigte grundlegende Reform des Steuerrechts wird wohl noch auf sich warten lassen.

In der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent ist weiterhin die dramatische Zunahme von auf dem Seeweg einreisenden Flüchtlingen. Nach nur 161 im Jahr 2008 wurden 2009 über 3000 und bis September 2010 mehr als 5.000 Flüchtlinge in australischen Gewässern aufgegriffen. Die Opposition macht die Regierung für den verstärkten Zustrom von Bootsflüchtlingen verantwortlich und führt diesen auf die 2008 erfolgte Lockerung der Asylbedingungen durch die Regierung Rudd zurück, die die Attraktivität Australiens als Zielland erhöht habe. In praktisch allen Fällen ist dabei Indonesien Durchgangsstation. Die Regierung bemüht sich, in Zusammenarbeit mit der indonesischen Regierung gegen die Schleuserkriminalität vorzugehen und die Ursachen des Flüchtlingsproblems in den Ursprungsländern zu bekämpfen. Zur Bewältigung des Zustroms an Flüchtlingen erweitert Australien seine Auffanglager auf dem Festland und steht in Verhandlungen mit einigen Nachbarstaaten, um dort Auffanglager einzurichten.


Verhältnis zu den Ureinwohnern

Ein innenpolitischer Meilenstein war die vom damaligen Premierminister Rudd im Februar 2008 auch im Namen des Bundesparlaments ausgesprochene offizielle Entschuldigung der Regierung bei der Urbevölkerung (Aborigines und Torres Strait Islander) für das von den Weißen in der Vergangenheit begangene Unrecht, insbesondere die Zwangsassimilierung von eingeborenen Kindern zwischen 1900 und 1973 (sog. Stolen Generations). Die Ureinwohner hatten eine solche Entschuldigung seit Jahren als Voraussetzung für eine Aussöhnung mit der weißen Bevölkerung gefordert, waren bei Rudds Amtsvorgänger Howard aber stets auf Ablehnung gestoßen. Die Entschuldigung hatte vor allem symbolische Bedeutung. Eine finanzielle Entschädigung der Angehörigen der “gestohlenen Generation” ist nicht vorgesehen, und die Integration der indigenen Australier in die Gesellschaft bleibt weiterhin eine große Herausforderung für das Land.

Zwar begreift die Mehrheit der Australier heute Kunst und Kultur der Ureinwohner als Teil ihrer nationalen Identität und ist stolz auf die Erfolge von Aborigine-Künstlern im Ausland. Aber trotz aufwändiger staatlicher Hilfsprogramme sind die etwa 410.000 Aborigines weiter eine in fast jeder Hinsicht benachteiligte Bevölkerungsgruppe und führen häufig ein Leben am Rande der Gesellschaft. Ihre traditionellen, einer nomadenhaften Lebensweise in Kleingruppen entstammenden Gebräuche und Gewohnheiten erweisen sich als unvereinbar mit den Gegebenheiten einer modernen westlichen Gesellschaft.

Eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung, hohe Krankheitsquote, weit überdurchschnittliche Kriminalität, massiver Alkohol- und Drogenkonsum, Arbeitslosigkeit, Abhängigkeit von staatlichen Hilfszahlungen und andere Probleme sind die Folgen des weitgehenden Fehlschlags der bisherigen Bemühungen um ihre Integration. Nach dem Bekanntwerden von weitverbreitetem sexuellen Missbrauch von Kindern in zahlreichen Gemeinden des Northern Territory sah sich die Regierung Howard im Juni 2007 veranlasst, dort den nationalen Notstand zu erklären und unter Einsatz des Militärs und der Bundespolizei direkt zum Schutz der Kinder einzugreifen. Die Maßnahmen der sog. Intervention umfassten u.a. die Unterbindung des Alkohol- und Drogenhandels, den Entzug von Landrechten sowie die zwangsweise Gesundheitsuntersuchung aller Kinder. Die Intervention stieß in der Bevölkerung auf ein unterschiedliches Echo, wird jedoch überwiegend – nicht zuletzt von vielen Aborigines selbst – als notwendig angesehen. Mangels Erfolg versprechender Alternativen wurden die Zwangsmaßnahmen, mit geringfügigen Veränderungen, verlängert. 


Umwelt und Klima

Die in Australien jährlich auftretenden Buschbrände haben sich durch die anhaltende Trockenheit der vergangenen Jahre intensiviert. Die Brände verwüsten nicht nur große Weide- und Waldbestände, sondern ziehen zunehmend auch bewohnte Gebiete in Mitleidenschaft.

Bei den verheerenden Buschfeuern im Bundesstaat Victoria vom Februar 2008 kamen über 200 Menschen ums Leben, und es wurden über 200.000 Häuser zerstört.

Nach der langen Dürreperiode haben regelmäßige Regenfälle 2010 in Teilen Australiens zu einer deutlichen Entspannung der Situation geführt. Steigender Wasserkonsum und weiterhin bestehende latente Dürregefahr stellen das Land jedoch weiter vor erhebliche ökologische, politische und wirtschaftliche Herausforderungen. Große Teile des Landes sind durch Versalzung der Böden unfruchtbar geworden. Durch massive Wasserentnahme ist das Ökosystem des Murray-Darling-Beckens – des größten australischen Flusssystems – schwer geschädigt und mittelfristig vom völligen Austrocknen bedroht. Die australische Bundesregierung und die Bundesstaaten haben 2008 beschlossen, einen gemeinsamen Wasserplan zur Rettung des Beckens zu erstellen, in dem sich 42 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes befinden. Eine Mitte 2010 veröffentlichte wissenschaftliche Studie, die zur Rettung des Murray-Darling-Beckens stärkere Restriktionen bei der Bewässerung von Feldern fordert, ist in den ländlichen Regionen Australiens auf scharfe Kritik gestoßen, da Bauern und Unternehmen um ihre Existenz fürchten.

Die Intensität und Dauer der Dürre sowie die fortschreitende Zerstörung des Großen Barriere-Riffs vor der Küste Queenslands werden auch mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Australien ist, pro Kopf gerechnet, weltweit der größte Produzent von Treibhausgasen. Der ehemalige Premierminister Kevin Rudd, der im Wahlkampf 2007 den Klimawandel zur „größten Herausforderung für die Menschheit“ erklärt hatte, konnte jedoch die Einführung eines Emissionshandelssystems in Australien politisch nicht durchsetzen.

Ende 2007 hat Australien das Kyoto-Protokoll ratifiziert, und es ist auch in den internationalen Verhandlungen für ein Kyoto-Nachfolgeabkommen engagiert. Australien plant auf nationaler Ebene, seine Emissionen bis 2020 zwischen 5 Prozent (im Alleingang) und 25 Prozent (bei einem umfassenden internationalen Abkommen) zu verringern. 

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

gesamten Artikel lesen zurück mit ESC