Europa wird größer – eine Übersicht

Europa wird größer – eine Übersicht

Abstimmung über EU-Erweiterung 2007
© picture-alliance/dpa

Abstimmung über EU-Erweiterung 2007

Abstimmung über EU-Erweiterung 2007

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Seit dem Schuman-Plan zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl 1950 haben die Europäischen Gemeinschaften und in ihrer Folge die Europäische Union (EU) über mehr als fünfzig Jahre für Frieden und Stabilität unter ihren Mitgliedstaaten gesorgt.

Die sechs Gründungsstaaten waren: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande.

Die fünf Erweiterungsrunden

Es hat bisher fünf Erweiterungsrunden gegeben:

  • 01.01.1973: Beitritte von Dänemark, Irland und Großbritannien
  • 01.01.1981: Beitritt von Griechenland
  • 01.01.1986: Beitritte von Portugal und Spanien
  • 01.01.1995: Beitritte von Österreich, Schweden und Finnland
  • 01.05.2004: Beitritte von Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern
  • 01.01.2007: Beitritte von Bulgarien und Rumänien (Abschluss der fünften Erweiterungsrunde)

Weitere Beitritte werden derzeit verhandelt

Mit Abschluss der letzten Erweiterungsrunde am 1. Januar 2007 ist die EU auf 27 Mitgliedsstaaten angewachsen. Der Erweiterungsprozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen:

  • Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und mit Kroatien haben am 3. Oktober 2005 begonnen.
  • Seit dem 27. Juli 2010 führt die EU Beitrittsverhandlungen mit Island.
  • Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ist seit dem Europäischen Rat vom 15. und 16. Dezember 2005 ein offizieller Beitrittskandidat. Bislang hat der Rat aber noch keinen Beschluss zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gefasst.
  • Der Europäische Rat hat am 17. Dezember 2010 auch Montenegro den Kandidatenstatus verliehen.
  • Die übrigen Staaten des westlichen Balkan (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Serbien) genießen den Status potenzieller Beitrittskandidaten.

Die Beitrittsverhandlungen finden im Rahmen einer Regierungskonferenz statt, die ihre Beschlüsse einstimmig fasst, unter Beteiligung aller EU-Mitgliedstaaten und des Beitrittslandes.

Jeder europäische Staat kann die EU-Mitgliedschaft beantragen

Der zum 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon sieht vor, dass jeder europäische Staat, der die Werte, auf die sich die Union gründet, achtet, und sich für ihre Förderung einsetzt, beantragen kann, Mitglied der Union zu werden (Art. 49 des Vertrages vonLissabon).

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90 stellten die mittel- und osteuropäischen Länder ihre Beitrittsanträge: Ungarn im März 1994, Polen im April 1994, Rumänien und die Slowakei im Juni 1995, Lettland im Oktober 1995, Estland im November 1995, Litauen und Bulgarien im Dezember 1995, die Tschechische Republik im Januar 1996 und Slowenien im Juni 1996.

Die Türkei hatte ihren Mitgliedswunsch bereits im April 1987 angemeldet, Zypern und Malta ihren im Juli 1990. Im Februar 2003 hat Kroatien ein Beitrittsgesuch gestellt, im März 2004 die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, im Dezember 2008 Montenegro, im April 2009 Albanien und im Juli 2009 Island. Serbien hat seinen Beitrittsantrag im Dezember 2009 übergeben.

Grundlagen des Erweiterungsprozesses nach der 5. Erweiterungsrunde

Die Kosten und Nutzen der EU-Erweiterungspolitik werden auch nach der 5. Erweiterungsrunde durchaus kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert, wobei immer wieder auch erweiterungsskeptische Stimmen zum Ausdruck kommen. Die EU-Erweiterungspolitik erfordert insofern Augenmaß, um jenen notwendigen Brückenschlag zwischen Erweiterung und innerer Konsolidierung der EU zu erreichen. Schlüssel ist dabei die Betonung der Konditionalität.

Das Tempo der Erweiterung wird insbesondere von der individuellen Erfüllung der gesetzten Kriterien, aber auch von der Erweiterungsfähigkeit der EU abhängig gemacht. Grundlage für die Positionierung der Bundesregierung in der Erweiterungspolitik ist die geltende Koalitionsvereinbarung.

Grundlage des so genannten „Erneuerten Konsenses über die Erweiterung“ sind die Beschlüsse des Europäischen Rates und des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen von Dezember 2006. Die Beschlüsse bekräftigen, dass die auf Konsolidierung, Konditionalität und Kommunikation gestützte Erweiterungsstrategie, verbunden mit der Fähigkeit der EU zur Integration neuer Mitglieder, die Basis der EU-Erweiterungspolitik darstellt.

 

Erweiterungsstrategie der Europäischen Kommission 2009/ 2010

Insgesamt bleibt aus der Sicht der Europäischen Kommission weiterhin die Erwartung, dass 2010 in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien Fortschritte erzielt und im Falle Kroatiens der technische Abschluss der Beitrittsverhandlungen erreicht werden kann. Die Europäische Kommission will im Frühjahr 2010 ihre Stellungnahme zum isländischen EU-Beitrittsgesuch vorlegen.

Bei den Ländern des westlichen Balkan müssen die Reformerfolge bei ihrer Heranführung gesichert und unumkehrbar gemacht werden. Allgemein soll die finanzielle Heranführung gezielter auf Aspekte wie gute Regierungsführung, insbesondere Verwaltungs- und Justizreform und Korruptionsbekämpfung, abstellen. Die so genannten Beitrittspartnerschaften (bei Beitrittskandidaten) und Europäischen Partnerschaften (bei potenziellen Beitrittskandidaten) legen hierbei die Prioritäten fest.

Erweiterungspolitik dient strategischen Interessen der EU

Mit dem Begriff “Erweiterung” wird ein Prozess umschrieben, an dessen Ende die Bewerberländer mit Zustimmung der bisherigen Mitgliedstaaten der EU beitreten, um mit deren Hilfe und Unterstützung an dem Erfolgsmodell der Gemeinschaft mit ihren Werten – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Menschenrechte und Minderheiten – teilzuhaben.

Politische Gründe

Ziel der Europäischen Union war es stets, Frieden und Freiheit, Sicherheit und politische Stabilität sowie wirtschaftlichen Wohlstand dauerhaft in Europa zu garantieren. Die Gründe für die Erweiterung der Europäischen Union liegen darin, als “Stabilitätsanker” weiteren Staaten Europas zur Seite zu stehen und damit diesen Staaten die Möglichkeit zu geben, an dem Erfolgsmodell der europäischen Integration durch vollständige Übernahme des Acquis teilzunehmen. Die Bürger aller Mitgliedstaaten erhalten dadurch erweiterte Möglichkeiten, auch jenseits ihrer vertrauten nationalen Grenzen in einem größeren Raum ohne Binnengrenzen zu leben, zu arbeiten und zu wirtschaften. Gut 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und 5 Jahre nach der größten Erweiterung der EU seit ihrem Bestehen zeigt sich, dass die von Vielen befürchteten negativen Rückwirkungen auf die alten Mitgliedstaaten ausgeblieben sind.

Ein wichtiges Ziel der Europäischen Union bei ihrer Gründung war aber auch der Abbau von Nationalismus. Gerade auch vor diesem Hintergrund zeigt sich die Notwendigkeit weiterer Stabilisierung insbesondere mit Blick auf die Länder des westlichen Balkans, wo weiterhin ethnische Spannungen wirken und der Versöhnungsprozess nach den Kriegen in der Region erst am Anfang steht.

Eine erweitere Gemeinschaft bekommt ein stärkeres Gewicht und mehr Stimme in der Welt. Hierdurch steigt der Einfluss der Europäischen Union. Sie kann besser auf die aktuellen Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, Terrorismus, Handel, Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit oder die Regulierung von Finanzmärkten reagieren und den Prozess der Globalisierung aktiv und in ihrem Interesse mitgestalten.

Wirtschaftliche Gründe

Nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens ist die Europäische Union zu einem der größten einheitlichen Wirtschaftsräume der Welt mit rund 480 Millionen Einwohnern zusammengewachsen. Hohes Wirtschaftswachstum in den Beitrittsländern, neue Märkte und wachsende Konkurrenz kommen allen zugute. Die Finanz- und Wirtschaftskrise kann in der Gemeinschaft besser und schneller überwunden werden.

Die Verwirklichung des freien Waren- und Kapitalverkehrs unterstützt auch das Wachstum der deutschen Wirtschaft und schafft beziehungsweise sichert Arbeitsplätze in Deutschland. Besonders deutsche Unternehmen nutzen die Gelegenheit zur Investition in den neuen Mitgliedstaaten. Durch die Erweiterung gelingt es der EU, durch die Globalisierung bedingte Verlagerungsprozesse innerhalb der Grenzen der EU zu halten. Dies schafft Arbeitsplätze und Investitionen in den neuen Mitgliedstaaten, die ihrerseits Arbeitsplätze in den alten Mitgliedstaaten sichern – die sonst möglicherweise in Länder außerhalb der EU abwandern könnten. Da in den neuen Mitgliedstaaten das EU-Recht vollständig umgesetzt wird, sind Rahmenbedingungen vorgegeben, die Investitionen und Arbeitnehmer schützen und einen hohen Sicherheits-, Produktions- und Umweltstandard gewährleisten.

Ein vereintes Europa als “global player

Eine Erweiterungspolitik mit Augenmaß schafft die Voraussetzungen für eine starke Europäische Union, damit sie eine aktive Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts spielen kann. Die Wirtschaftskrise und der Klimawandel haben die Notwendigkeit einer globalen Regierungsführung deutlich gemacht. Erst wenn Europa zusammengewachsen ist, kann es seine Interessen in der Welt der Globalisierung angemessen vertreten. Erst das vereinte Europa wird auch seine internationalen wirtschaftlichen und politischen Aufgaben wahrnehmen können und nicht länger vor allem mit sich und den Narben seiner Vergangenheit beschäftigt sein.

Stand 20.12.2010

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