Interview: Bundesaußenminister Guido Westerwelle in der „Kleinen Zeitung“ zur Eröffnung der Westbalkankonferenz
Herr Außenminister, Sie waren im August auf einer Balkan-Reise und haben betont, wir müssen die Einheit Europas vollenden. Die deutsche Außenpolitik macht aber bei uns in Österreich wie auch bei Diplomaten und Politikern auf dem Balkan den Eindruck, das Interesse erlahme hinter Kroatien und wirkt nicht bestrebt, den Rest-Balkan schnell in die EU einzubinden. Liegt es für die ehemalige Bonner Republik noch immer zu weit im Osten?
Deutschland steht zur europäischen Perspektive des Westlichen Balkans. Ich halte diese Perspektive für die Stabilität der Region für unverzichtbar und bin überzeugt, dass die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft der wichtigste Reformmotor für die gesamte Region ist. Klar ist aber auch, dass wir genau darauf achten müssen, dass die politischen und wirtschaftlichen Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft eingehalten werden. Und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis. Die Beitritts-Kriterien sind ja keine künstlichen Hürden, sondern Garantien für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in Europa.
Sie haben Serbien auf der Reise offen kritisiert. Warum soll Serbien Kosovo anerkennen, wenn fünf EU-Mitgliedsstaaten, darunter Spanien, dies nicht tun?
Wir arbeiten zum Nutzen der Menschen in beiden Staaten. Serbien stand in diesem Herbst vor der Wahl, ob es den Weg nach Europa einschlägt oder die Vereinten Nationen zur Bühne für eine Politik des Konflikts mit Kosovo macht. Ich bin sehr froh darüber, dass Serbien sich für Europa entschieden hat.
Jetzt kommt es darauf an, dass die serbische Regierung konstruktiv mit dem Thema umgeht. Die gemeinsam von Serbien und allen EU-Staaten vorgeschlagenen Direktgespräche zwischen Belgrad und Pristina sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.
Das Beispiel Kroatien und Slowenien hat gezeigt, dass eine weit geöffnete EU-Tür die zwischenstaatlichen Probleme besser und schneller löst. Auch Mazedonien hat den Namensstreit mit Griechenland beigelegt. Ist das aus Ihrer Sicht nicht eine schnellere Beitrittsoption für Mazedonien wert?
Slowenien und Kroatien ist es im November 2009 gemeinsam gelungen, eine wichtige Hürde in den Beitrittsverhandlungen Kroatiens mit der Europäischen Union zu überwinden, indem sie sich auf die Einsetzung eines Schiedsgerichtes zur Lösung der offenen Grenzfrage geeinigt haben. Dieses Vorgehen hat Modellcharakter für die gesamte Region.
Zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien fanden im vergangenen Jahr mehrfach Gespräche auf höchster Regierungsebene über den umstrittenen Staatsnamen statt. Ich sehe hierin erste wichtige Schritte, um Vertrauen zwischen beiden Staaten aufzubauen und die Grundlage für eine Lösung dieser bilateralen Streitfrage zu schaffen.
Bosnien ist im Herzen Europas 15 Jahre nach Dayton noch immer ein wunder Punkt. Hohe Repräsentanten wie zuletzt auch Valentin Inzko mahnen seit langem eine Verfassungsreform an. Reicht es da, wenn Sie Bosnien zur Lösung seiner inneren Konflikte auffordern und müssten Berlin, Washington und Moskau nicht längst aus ihren Fehlern lernen?
Zunächst einmal: Bosnien und Herzegowina ist eine Erfolgsgeschichte des internationalen Krisenmanagements. Wir blicken heute auf 15 Jahre friedlichen Zusammenlebens in diesem Land zurück. An einen derartigen Erfolg bei der Stabilisierung des Landes hätte bei Abschluss des Friedensabkommens 1995 niemand zu denken gewagt.
Heute ist klar, dass Bosnien und Herzegowina noch weitere Reformschritte gehen muss. Deutschland möchte Bosnien hierbei mit Rat und Tat zur Seite stehen – gerade weil Deutschland als föderaler Staat für die Verbindung von starker regionaler Identität und gemeinsamen europäischen Zielen steht. Allen, die durch ethnische Blockaden den Weg des Landes nach Europa verstellen, kann ich nur sagen: Bosnien hat nur eine EU-Perspektive, keine zwei oder drei. Jetzt besteht die Gelegenheit, um die notwendigen Reformen in die Tat umzusetzen.
Übernimmt Deutschland mit der West-Balkan-Konferenz in Berlin jetzt eine Führungsrolle in der Region?
Der Westliche Balkan verdient schon aufgrund der engen Nachbarschaft zur EU und der weiterhin bestehenden Konfliktpotenziale unsere besondere Aufmerksamkeit. Wir verfolgen in Südosteuropa konsequent eine Politik der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung.
Die Berliner Konferenz ist eine gute Gelegenheit, um erneut unser Augenmerk auf die aktuellen Entwicklungen in der Region zu legen. Ich freue mich sehr, dass ich die Konferenz zusammen mit meinem österreichischen Amtskollegen Dr. Spindelegger eröffnen werde. Das ist ein weiteres Beispiel für die exzellente Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich für den Westbalkan.
Interview: Ingo Hasewend