Innenpolitik

Innenpolitik

Stand: Dezember 2010

Die Präsidentschaft Janukowytsch

In den ersten Monaten der Präsidentschaft Janukowytsch hat sich das politische Leben in der Ukraine deutlich stabilisiert. Seit der verfassungsrechtlich zweifelhaften, vom Verfassungsgericht aber sanktionierten Regierungsbildung gibt es auch in der Ukraine eine “Vertikale der Macht”. Das Parlament mit seiner mittlerweile stabilen Regierungsmehrheit verabschiedet die meisten Gesetzesvorlagen zügig. So konnte die Ukraine auch die lange geforderten „prior actions“ des IWF erfüllen und erhielt im Juli 2010 einen neuen Kredit in Milliardenhöhe. Innenpolitisch wenig populäre Maßnahmen im Rahmen der „prior actions“ (Erhöhung der Gaspreise, Heraufsetzung des Rentenalters für Frauen) haben die Umfragewerte der Partei der Regionen von Präsident Janukowytsch allerdings sinken lassen.

Trotzdem hat die Partei der Regionen bei den Kommunalwahlen am 31. Oktober 2010 einen klaren Sieg errungen. Lediglich in den westlichen Gebieten führen die Partei Vaterland der Oppositionsführerin Julija Tymoschenko und die nationalistische Wählervereinigung Freiheit, die erstmals auch im Zentrum des Landes in Volksvertretungen einziehen konnte. Die Opposition, die seit den Präsidentschaftswahlen vom Februar 2010 wenig in Erscheinung getreten ist, sprach nach den Wahlen von “Massenfälschungen”. Nationale und internationale Wahlbeobachter stellten lediglich erhebliche Unregelmäßigkeiten sowohl im Wahlkampf als auch am Wahltag selbst fest.
Durch den Wahlsieg bei den Kommunalwahlen hat die Machtfülle des Präsidenten weiter zugenommen.


Von den Parlamentswahlen 2006 bis zu den Präsidentschaftswahlen 2010

Bei den Parlamentswahlen am 26. März 2006 – den ersten Wahlen seit der „Orangenen Revolution“ 2004 – wurde die „Partei der Regionen“ (PdR) des damaligen Oppositionsführers Viktor Janukowytsch deutlich stärkste Fraktion vor dem „Block Julija Tymoschenko“ (BJuT) und Juschtschenkos „Unsere Ukraine“ (UU). Nachdem Janukowytsch im August 2006 Ministerpräsident geworden war (der Regierung gehörten Minister der PdR, der Sozialisten, Kommunisten und kurzzeitig auch von UU an), nahmen die Spannungen zwischen Präsident und Ministerpräsident kontinuierlich zu.

Im April 2007 löste Präsident Juschtschenko schließlich das ukrainische Parlament auf und ordnete Neuwahlen an. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Auflösung waren umstritten. Ende Mai einigten sich Staatspräsident, Ministerpräsident und Parlamentspräsident auf Neuwahlen am 30. September 2007.

Nach Einschätzung der OSZE/ODIHR entsprachen diese Parlamentswahlen im wesentlichen demokratischem Standard. Stimm- und Mandatsverteilung: Partei der Regionen 34,37 Prozent (175 Sitze), Block Julija Tymoschenko 30,71 Prozent (156 Sitze), Block Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes 14,15 Prozent (72 Sitze), Kommunistische Partei der Ukraine 5,39 Prozent (27 Sitze), Block Lytwin 3,96 Prozent (20 Sitze). Alle übrigen Parteien und Blöcke scheiterten an der Dreiprozenthürde.

Am 18. Dezember 2007 wurde Julija Tymoschenko zur ukrainischen Ministerpräsidentin gewählt. Sie erhielt mit 226 Stimmen gerade die erforderliche Mehrheit im Parlament. Ihrer Regierung gehören Minister ihres eigenen Blockes und des präsidentennahen Blockes „Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes“ an. Der Austritt der präsidentennahen Fraktion aus der Koalition am 3. September 2008 führte im Dezember 2008 zu einer Koalitionsneubildung aus „Block Julia Tymoschenko“, der Mehrheit von „Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes“ und „Block Lytwyn“, die am 09. Dezember 2008 Wolodymyr Lytwyn zum neuen Parlamentspräsidenten wählte.

Aus 18 Kandidaten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2010 gingen Julija Tymoschenko und Wiktor Janukowytsch für die Stichwahl hervor, die Janukowytsch mit 48,96 % gewann. Er wurde am 25. Februar als neuer Präsident vereidigt, nachdem Tymoschenko ihre Anfechtungsklage zurückgezogen hatte. Die OSZE hatte die Wahlen zuvor als frei und überwiegend fair bezeichnet.


Staatsaufbau

Nach der Verfassung vom 28. Juni 1996 war die Ukraine ursprünglich eine Präsidialdemokratie mit Gewaltenteilung. Politik und Verwaltung waren stark auf den Staatspräsidenten als zentrale Verfassungsinstitution und Ausdruck staatlicher Macht ausgerichtet.

Am 8. Dezember 2004 wurde die Verfassung im Zuge der „Orangen Revolution“ wesentlich geändert. Diese Änderungen traten zum Jahresbeginn 2006 in Kraft. Sie stärkten das Parlament, das nun weitgehend selbst die Regierung einsetzen und durch Misstrauensvotum abberufen kann. Ein automatischer Rücktritt der Regierung nach Präsidentschaftswahlen wurde mit der Verfassungsänderung abgeschafft. Der Präsident hat jedoch faktisch bei der Regierungsbildung weiterhin eine einflussreiche Rolle und zudem unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, das Parlament aufzulösen.

Die Kompetenzen der einzelnen Verfassungsorgane sind im Verfassungstext von 2004 nur unzureichend abgegrenzt. Dies führte im Frühjahr 2007 zu einem Verfassungskonflikt zwischen Staatspräsident Juschtschenko und der damaligen Regierung unter Premierminister Janukowitsch. Eine Verfassungsreform zur Beseitigung dieser Mängel wird immer wieder diskutiert, bis jetzt jedoch ohne Ergebnis.

Am 1.Oktober 2010 hat das ukrainische Verfassungsgericht die Verfassungsänderung von 2004 aus prozeduralen Gründen für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Damit gilt wieder die Verfassung von 1996. Der Präsident kann jetzt das Kabinett wieder ohne Zustimmung des Parlaments ernennen und entlassen; eine Parla­mentsmehrheit ist für die Regierungsbildung nicht mehr nötig.

Die Ukraine wird zentralistisch regiert. Organe der regionalen und lokalen Selbstverwaltung haben mit Ausnahme der Krim relativ geringe Kompetenzen. Das Land ist in 27 Verwaltungseinheiten aufgeteilt: Dies sind die 24 Bezirke (Oblaste), deren Gouverneure vom Präsidenten ernannt und entlassen werden, außerdem die Autonome Republik Krim und die Städte Kiew und Sewastopol, die einen Sonderstatus haben.


Menschenrechte

Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen.

Seit der „Orangen Revolution“ berichteten die Medien auch kritisch über einzelne Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Die Bürgergesellschaft entwickelte sich deutlich lebendiger als früher. Unabhängige Menschenrechtsorganisationen konnten weitgehend ungehindert arbeiten und wurden von der Regierung als Gesprächspartner akzeptiert.

Problematisch bleiben die stark verbreitete Korruption, die Zustände in den Gefängnissen (insbesondere Untersuchungshaftanstalten), schleppende Gerichtsverfahren, die Lage ausländischer Flüchtlinge und der Roma, die Zunahme fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt.

Nach der„Orangen Revolution“ entstand in der Ukraine eine pluralistische Medienlandschaft mit Vorbildfunktion für den post-sowjetischen Raum.  Die Medien berichteten weitgehend frei und ungehindert, ihr Einfluss als „vierte Gewalt“ war jedoch begrenzt. Das Hauptproblem der Medien bestand und besteht in der finanziellen Abhängigkeit der Journalisten von den Eigentümern der Medienunternehmen einerseits und mangelhafter Aus- und Fortbildung von Journalisten andererseits.Darüber berichten Medien und Nichtregierungsorganisationen. Präsident Janukowytsch hat wiederholt öffentlich erklärt, er werde eine Rückkehr zur Zensur nicht zulassen.

Hinweis

Dieser Text stellt eine Basisinformation dar. Er wird regelmäßig aktualisiert. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann nicht übernommen werden. 

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