Wirtschaftspolitik
Wirtschaftspolitik
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Stand: November 2010
Aktuelle wirtschaftliche Lage
Die Prognose für die irakische Volkswirtschaft ist gut. Für den Zeitraum 2010 / 2011 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF), dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7,3 Prozent wächst. Die positiven Aussichten, nach einem zwischenzeitlichen Tief, basieren hauptsächlich auf dem Ölreichtum des Landes. Mit Ölreserven von rund 115 Mrd. Barrel hat der Irak die drittgrößten Erdölvorkommen der Welt (nach Saudi-Arabien und Iran). In den kommenden Jahren werden die Staatseinnahmen durch Erdölexporte steigen, da der Irak in den vergangenen Monaten mehrere Förderlizenzen an ausländische Konzerne vergeben hat. Die Mehreinnahmen sollen vor allem in die Infrastruktur des Landes investiert werden.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) beziffert das Bruttoinlandsprodukt für 2009 auf knapp 66 Mrd. USD.
Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt demnach 2.100 USD bei knapp 30 Millionen Einwohnern.
Zum Vergleich: Im Jahr 2003 lag das Pro-Kopf-Einkommen noch bei unter 500 USD. Die Inflationsrate konnte im Jahr 2010 auf unter 6 Prozent gedrosselt werden, nachdem sie 2006 noch bei 65 Prozent lag. Die Zentralbank brachte die vormals hohe Inflation durch eine kontinuierliche Aufwertungspolitik für den Dinar unter Kontrolle.
Eine Einnahmesteigerung in 2010 ist überwiegend auf den (im Jahresmittel) hohen Ölpreis zurückzuführen. Der Ölexport erreichte im März und September 2010 erstmals seit 1990 wieder Exportraten von über zwei Mio.bpd. Dennoch blieb die Rate im Jahresdurchschnitt (wie schon 2009) unter dem anvisierten Exportziel von zwei Mio. bdp. Grund dafür waren Sabotageakte und technische Probleme an der nördlichen Pipeline zwischen Kirkuk und der türkischen Hafenstadt Ceyhan. Für 2011 strebt das Ölministerium eine Ölexportquote von 2,3 Mio. bpd an. In den kommenden Jahren sollen viele Milliarden USD in die Ölinfrastruktur investiert, beispielsweise in den Ausbau von Pipelines sowie in den Bau von zahlreichen Raffinerien.
Für das Jahr 2011 hat der Irak 86 Mrd. USD für seinen Haushalt eingeplant. Wichtigste Ausgabenposten sind zum einen Subventionen für Lebensmittel, Strom und Treibstoffe (ca. 35 Prozent der Einnahmen) und zum anderen die Gehälter für die Beamten und Angestellten in den Staatsbetrieben. Auch die künstlich niedrigen Brennstoffpreise im Irak belasten den Haushalt. Über Subventionskürzungen wird seit längerer Zeit nachgedacht, eine grundlegende Reform steht allerdings noch aus. Die irakische Auslandsverschuldung betrug bei Kriegsende 2003 rund 115 Mrd. USD. Auf die Staaten des Pariser Clubs entfielen davon ca. 39 Mrd. USD, auf Deutschland 5,9 Mrd. Euro (einschl. Zinsen). Am 21.11.2004 einigte sich der Pariser Club auf einen Schuldenerlass von insgesamt 80 Prozent in drei Stufen, beginnend am 1. Januar 2005. Die letzte Stufe von 20 Prozent trat Ende 2008 in Kraft. Der deutsche Schuldenerlass für Irak belief sich somit auf 4,7 Mrd. Euro (Bund 3,1 Mrd., Exporteure 1,6 Mrd.). Mit der Rückzahlung der Restschulden wird gemäß Pariser Club-Vereinbarung 2011 begonnen. Die verbleibende Auslandsverschuldung könnte nach Angaben des IWF bis 2013 bei ca. 33 Mrd. USD liegen.
Der Irak bemüht sich derzeit um einen Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO.
Wirtschaftssektoren
Ölsektor
Der Ölsektor bestimmt die irakische Volkswirtschaft. Knapp 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Export des irakischen Öls. Grund für einen zwischenzeitlichen Rückgang der Öleinnahmen war der gesunkene Ölpreis sowie eine geringere Ausfuhrmenge wegen anhaltender Sabotageakte an der nördlichen Pipeline. Zudem sind die Exportkapazitäten der irakischen Häfen unzureichend ausgeschöpft.
Bis 2017 will der Irak seine tägliche Ölförderrate von derzeit zwei Millionen Barrel auf zehn Millionen steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Regierung im Rahmen von zwei Auktionsrunden im Jahr 2010 insgesamt zehn Ölförderlizenzen an internationale Konsortien vergeben. Im Gassektor wurden im Oktober 2010 drei Förderlizenzen an ausländische Konsortien vergeben. Bis 2014 soll der Gasexport verdoppelt werden.
Infrastruktursektor
Die Verkehrsinfrastruktur lässt langsam Fortschritte erkennen. Bislang sind es vor allem Großprojekte, die begonnen wurden oder sich in fortgeschrittenem Planungsstadium befinden. Zu ihnen zählen die Erweiterung des Flughafens Bagdad und der Bau des Großhafens Basra (Grand Fao Port).
Besonders im Luftverkehr hat der Irak in den vergangenen zwei Jahren aufgeholt. In allen Landesteilen gibt es internationale Flughäfen, die nach und nach an das internationale Streckennetz angebunden werden. So gibt es seit Mitte 2010 auch einen Direktflug zwischen Frankfurt und Erbil, auch die Wiederaufnahme eines Direktfluges nach Bagdad ist beabsichtigt.
Zwischen den größten Städten des Landes, Bagdad und Basra, wurde der Personenzugverkehr wieder aufgenommen, bei den übrigen Strecken besteht größtenteils Reparaturbedarf. Neue Zugverbindungen nach Syrien sind eingerichtet worden, an weiteren Streckenverbindungen nach Jordanien und Iran wird noch gebaut. Für die Hauptstadt Bagdad ist der Bau einer U-Bahn vorgesehen. Das Projekt wurde ausgeschrieben, die Zuschläge stehen noch aus.
In weiten Teilen des Landes besteht ein gewaltiger Investitionsbedarf in Gesundheitsfürsorge, Wasserversorgung und Entsorgung. Nach wie vor ist die Stromversorgung unzureichend. Die Stromerzeugungskapazität Iraks liegt derzeit bei 9000 Megawatt. Schätzungen des Elektrizitätsministeriums zufolge hat das Land derzeit einen Mindestbedarf von 12.000 bis 13.000 Megawatt.. Bis 2012 wird mit einem landesweiten Bedarf von 15.000 MW gerechnet, weswegen nun zusätzliche Kraftwerke für 10.000 MW in Auftrag gegeben wurden.
Wohnungsbausektor
Irak leidet, obwohl ca. 2 Mio. Iraker als Flüchtlinge im Ausland leben, unter Wohnungsnot. Es fehlen Regierungsangaben zufolge landesweit bis zu zwei Mio. Wohnungen. Insbesondere in Bagdad sind Wohnungen so knapp, dass es zu einem regelrechten Immobilienboom gekommen ist. Haus– und Mietpreise haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Ähnliche Tendenzen sind auch in der Region Kurdistan, besonders in der Hauptstadt Erbil, zu beobachten. Die Zentralregierung startete daher das Programm „One Million Housing Units‘. In den kommenden Jahren sollen eine Million Wohneinheiten für mittlere Einkommensschichten mit Hilfe ausländischer Investoren gebaut werden. In Abstimmung mit irakischen Banken sollen Kredite für künftige Wohnungseigentümer eingerichtet werden. Über einhundert internationale Firmen haben ihre Angebote bereits eingereicht; der Baubeginn wird für 2011 erwartet.
Bankensektor
Die Restrukturierung und Modernisierung der beiden großen Staatsbanken Rafidain und Rasheed wird mit Hilfe der Weltbank vorangebracht. Von der globalen Finanzkrise blieb der Bankensektor weitestgehend unberührt. Die Privatisierung der Bankenbranche und auch der Einstieg ausländischer Privatbanken laufen schleppend an. Lediglich sechs ausländische Banken, die meisten aus Iran, der Türkei und arabischen Staaten, sind in Irak vertreten.
Investitionen in Irak
Das Gesetz Nr. 13/2006, seit 01.01.2007 in Kraft, ist Rechtsgrundlage für alle Investitionen, mit Ausnahme des Öl- und Gassektors sowie des Banken- und Versicherungssektors. Verantwortlich für die Investitionspolitik ist die Nationale Investitionskommission (NIC: National Investment Commission), welche weitestgehend dem Ministerpräsidenten unterstellt ist und in jeder Provinz Zweigstellen unterhält. Zur Förderung ausländischer Investitionen können nach Antragstellung bei der NIC großzügige Steuererleichterungen gewährt werden. Dazu zählen 10 Jahre Steuerfreiheit, die in Fällen eines Irakischen Kooperationspartners mit einem Projektanteil von über 50 Prozent auf bis zu 15 Jahre ausgedehnt werden kann, oder zollfreie Einfuhren. Ausländische Firmen können ohne besondere Einschränkungen Handelsvertretungen in Irak gründen. Gewinne können frei ins Ausland transferiert werden. Das Investitionsgesetz wurde letztmalig 2010 geändert. Nun gibt es für Investoren die Möglichkeit des Grundstückerwerbs bei Wohnbauprojekten. Investoren anderer Branchen können weiterhin Land für den Zeitraum von bis zu 50 Jahren pachten. Allerdings erschweren fehlende Kataster den Grunderwerb.
Am 24. Juli 2007 verabschiedete das irakische Parlament zudem ein Gesetz zur Genehmigung ausländischer Ölraffinerien. Es zielt darauf ab, ausländische Investoren zur Beteiligung bei der Errichtung von Erdölraffinerien zu ermutigen. In- und ausländische Firmen haben das Recht, Raffinerien zu errichten und für einen Zeitraum von maximal 40 Jahren hierfür Grundstücke zu pachten. 75 Prozent der beschäftigten Arbeiter müssen Iraker sein.
Für Geschäftstätigkeit von Nicht-Irakern bestehen im Irak Beschränkungen im Bankensektor (bisher für eine Übergangszeit von fünf Jahren Lizenzen nur an sechs ausländische Banken) und beim Erwerb von Grund und Boden.
Wegen der Sicherheitslage sind ausländische Investoren weiter zurückhaltend. Wirtschaftliche Aktivitäten werden eher in den von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten Gebieten in der Region Kurdistan-Irak entwickelt. Seit kurzem interessieren sich ausländische Unternehmen auch für den Südirak, speziell für Basra. Die südirakische Provinz ist reich an Erdöl und Erdgas. Zudem befindet sich hier der einzige Zugang zum Meer. Basra ist deshalb Umschlagplatz für Waren aller Art und das Zentrum für Schiffsverkehr, Hafenlogistik, Import/Export und Transport.
Auf die Reisewarnung des Auswärtigen Amts und die zu beachtenden Besonderheiten bei unaufschiebbaren Reisen wird hingewiesen.
Wiederaufbau Irak/öffentliche Aufträge
Mit den VN-Sicherheitsrats-Resolutionen 1483 vom 22. Mai 2003 und 1546 vom 8. Juni 2004 wurde die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds für Irak (DFI) durch die Koalitionsmächte gebilligt, in den sämtliche irakische Öleinnahmen fließen. Erdöl, Erdölprodukte und Erdgas aus Irak sind durch entsprechende Regelungen in der Resolution 1483 auch weiterhin vor Pfändungen geschützt. Im Gegenzug sollen marktgerechter Verkauf des Öls und die ordnungsgemäße und transparente Verwendung der durch den Verkauf erlösten Mittel durch ein unabhängiges internationales Gremium (International Advisory Monitoring Board) überprüft werden. Fünf Prozent der Öleinnahmen werden weiterhin für Reparationen verwandt. Der DFI läuft noch bis zum 31.12.2010. Es wird erwartet, dass er vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verlängert oder in anderer Form weitergeführt wird.
Neben dem im Herbst 2003 vom US-Kongress verabschiedeten Wiederaufbauprogramm für Irak mit einem Volumen von 18,4 Mrd. US-Dollar wurden auf der Geberkonferenz in Madrid (Oktober 2003) von Weltbank, IWF und Geberländern Zusagen in Höhe von weiteren ca. 14 bis 18 Mrd. US-Dollar für den Wiederaufbau in Irak gegeben. Vor allem aufgrund der bislang sehr schlechten Sicherheitslage verlief die Umsetzung der in Angriff genommenen Projekte in den Anfangsjahren eher schleppend.
2004 wurde der Treuhandfonds IRFFI gegründet (zwei getrennte, von Weltbank und UNDP verwaltete Fonds unter dem Dach der „International Reconstruction Fund Facility for Iraq“). Die EU ist mit 623,5 Mio. US-Dollar größter Geber, Deutschland hat sich mit 10 Mio. US-Dollar am IRFFI beteiligt. Die deutschen Mittel sind vorwiegend für Maßnahmen im Berufsbildungsbereich verwendet worden. IRFFI ist bis Ende 2013 befristet.
Am 3. Mai 2007 indossierte die internationale Gemeinschaft zudem einen „International Compact with Iraq“ (ICI), der neben allgemeinen innen- und außenpolitischen Verpflichtungen und ambitionierten Zielen der irakischen Regierung wirtschaftspolitische und fiskalische Vorstellungen und Pläne formuliert. In Bagdad wurde ein Sekretariat für den ICI eingerichtet.
Im Februar 2010 bewilligte der Internationale Währungsfonds IWF dem Irak zusätzlich einen Kredit in Höhe von mehr als 3,6 Milliarden USD. Der Großkredit mit einer Laufzeit von zwei Jahren wurde im Rahmen eines Wirtschaftsaufbauprogramms vergeben, das bis 2012 neben Finanzhilfen Unterstützung bei strukturellen Wirtschaftsreformen wie der Privatisierung des Bankensektors und dem Abbau von Subventionen vorsieht.
Aufträge werden öffentlich ausgeschrieben. Informationen über Wiederaufbauaufträge von Weltbank und VN-Organisationen auf den jeweiligen Internetseiten (Weltbank: www.worldbank.org; Suchwort: procurement; VN: www.devbusiness.com; www.iapso.org ; www.iq.undp.org; ).
Deutsche Wirtschaftsbüros in Bagdad und Erbil
Im Februar 2009 wurde in Bagdad ein Deutsches Wirtschaftsbüro eröffnet, das deutschen und irakischen Firmen ermöglichen soll, in einem nach wie vor schwierigen Umfeld gemeinsame Geschäftsinteressen zu entwickeln und Möglichkeiten der Kooperation zu eruieren.
Seit Februar 2010 steht ein weiteres Büro im Norden Iraks, in Erbil, für Interessenten zur Verfügung. Darüber hinaus hat das Büro in Bagdad eine Zweigstelle in der südirakischen Hafenstadt Basra eingerichtet.
Deutsches Wirtschaftsbüro Bagdad
dwib@agef.net
Tel: ++964-770 8078350
Deutsches Wirtschaftsbüro Erbil
dwie@ikr.agef.net
Tel: ++964-750 3258543
Weiterführende Informationen
Seit Frühjahr 2009 informiert die Wirtschaftsplattform Irak (wp-irak.de) täglich über aktuelle Entwicklungen. Die vom Auswärtigen Amt finanzierte Homepage berichtet online über Ausschreibungen zu Investitionen, stellt branchenspezifische Berichte zur Verfügung und erleichtert gegenseitige Kontakte zwischen Behörden und Firmen im Irak und in Deutschland.
Hinweis